Der Morgen beginnt wie der Abend endete: mit Kängurus. Ich komme vom Waschhaus und treffe gleich mal die Mutti mit ihrem Joey, aber auch einen, ja wie heißen eigentlich männliche Kängurus? Bullen? Auf jeden Fall auch noch einen Känguru-Mann. Und die zwei sind gar nicht scheu. Sie beschließen, dass ich gehen soll und brummen mich an. Das klingt ein bisschen einschüchternd und das klappt. Ich nehme den Umweg und möchte mich auf keinen Fall mit einem wildgewordenen Känguru anlegen, ich glaube ich ziehe den kürzeren. Aber als ich gehe, sind sie zufrieden und lassen es sich schmecken. Vielleicht wollen sie auch einfach nicht teilen. Das Gras an der Stelle scheint besonders lecker. ;-)
Nach dem Frühstück breche ich meine nicht vorhandenen Zelte ab und mache mich wieder auf den Weg. Das letzte Stück an der Südküste, auf geht es nach Augusta. Die Strecke ist nur ca. 270 km lang, aber es liegt der ein oder andere Nationalpark auf der Strecke. Leider ist das Wetter immer noch eher bescheiden. Es ist nicht sonderlich kalt, immerhin, aber es regnet immer mal wieder und vor allem, es ist ziemlich windig. Und so ist meine erste Station: Windy Harbour. Hier ist aber nichts los und ich fahre gleich weiter zum Point D'Entrecasteux (gut, dass ich das schreiben und nicht aussprechen muss). Der Blick auf die Kalksteinklippen ist toll. Ich wandere ein bisschen an der Küste entlang bis zum Salmon Beach. Aber an Beach Life ist gerade nicht zu denken, das wäre eher ein Ganzkörperpeeling. Und auch von den angekündigten Surfer ist keiner zu sehen. An mangelnder Welle kann es nicht liegen.
Also fahre ich weiter und wollte eigentlich einen Stopp im Warren National Park einlegen. Dort gibt es den Dave Evans Bicentennial Tree, einen riesigen Baum, den man in 75 m Höhe als Feuerwachausguck nutzt. Ich bin vor 22 Jahren schon einmal hochgestiegen und hätte dieses wahnsinnige Erlebnis gern wiederholt. Leider ist der Baum seit 2023 gesperrt und ein Aufstieg nicht mehr möglich. Das ist total schade. Aber erstens wurde von einem Besteigen bei feuchtem Wetter eh abgeraten, weil die als Leiter in den Baum geschlagenen Metallstreben dann sehr rutschig sein können, und zweitens ist die Sicht auch heute wieder bescheiden. Wahrscheinlich wäre man auf 75 m sogar mitten in den Wolken. Also spare ich mir den Ausflug über die "Naturstraße" zum Baum. Wäre mit Kalli ja auch nur halb legal ;-)
Kein Baum, kein Ausguck. Es geht direkt weiter nach Augusta. Diese kleine Stadt am südlichen Ende der "Cape to Cape Coast". Sie ist Ausgangspunkt zum Cape Leeuwin und dem gleichnamigen Leuchtturms. Aber dazu morgen mehr.
Ich Checke im Caravan Park ein und mache noch einen kleinen Spaziergang in den Ort. Entlang am Hardy Inlet, einem geschützten und nur durch eine kleine Öffnung abgetrennten Meereseinschnitt. Hier fühlen sich eigentlich die Delphine wohl, aber heute nicht, heute sind sie wohl eher im aufgewühlten Meer unterwegs. Ich gönne mir eine Portion Fish & Chips und wandere zurück zu Kalli.
Regen! Das hatte ich mir ein bisschen anderes vorgestellt. Also lasse ich es gaaaaanz gemütlich angehen und lasse mir sehr viel Zeit. Mein Buch hat mich den ganzen Urlaub noch nicht gesehen und die Zeitung könnte ich auch mal wieder lesen. Es ist vieles liegengeblieben in den letzten Tagen. Gut, ob ich will oder nicht, heute ist Entspannungstag.
Aber irgendwann ist auch genug entspannt und die Hummeln im Hintern wolle raus. Also mache ich mich auf den Weg. Genauer gesagt auf den Bibbulmun Track. Also, nicht auf den ganzen, denn der hat eine Gesamtlänge von 1000 Kilometern und erstreckt sich von Perth nach Albany oder besser gesagt in meinem Fall von Albany bis Perth. Das ist mir heute doch etwas lang. Aber der Weg hat mich schon in den letzten Tagen begleitet und jetzt geht er direkt am Camping Platz vorbei und genau dahin, wo ich auch hin möchte. Und zwar zum Hilltop Lookout und zum Giant Tingle Tree. Der Weg führt durch einen Wald riesiger Eukalyptusbäume und ich treffe tatsächlich ein paar (also genau genommen drei) andere Wanderer. Bis zum Lookout sind es 5 km und wie sollte es anders sein, wenn es Hilltop heißt, es geht mal wieder bergauf. Aber immerhin ohne Treppen. Leider ist die Sicht alles andere als gut. Eigentlich sieht man gar nichts, nur Wolken. Aber immerhin war der Weg schön. Vom Lookout verpasse ich Ausgang zum Track und folge ein Stück der "Straße", die bei dem Wetter alles andere als befahren ist. Nach gut 2 km erreiche den Weg zum Giant Tingle Tree und was soll ich sagen, er ist wirklich gigantisch und ich komme mir neben dem mehr als 400 Jahre alten Baum nicht nur sehr jung, auch sehr, sehr klein vor. Der Riese hat einen Umfang von 24 Metern und ist von einem Feuer ausgehöhlt, sodass man einmal durchgehen kann. Tot ist er trotzdem nicht, in unglaublicher Höhe, wächst und grünt es weiter.
Nach ein paar lustigen Fotos mit Selbstauslöser, was soll ich machen, es ist niemand da, der mal ein Foto schießen könnte, mache ich mich auf den Rückweg. Der ist dann nicht ganz so schön, denn es fängt wieder an zu regnen. Klitschnass erreiche ich das Camp, lege mich trocken und freue mich riesig über die Show, die direkt vor meinem Fenster stattfindet. Zwei Kängurus, eines davon noch ziemlich klein, ein anderes mit Joey im Beutel, grasen direkt vor Kalli und ich gucke mir das Schauspiel freudig an. Die Zwei bzw. Drei lassen sich auch überhaupt nicht aus der Ruhe bringen... naja, doch. Als irgendein trotteliger Mitcamper meint, er müsse nicht nur auf meinem Platz, sondern auch direkt neben den Kängurus Stellung mit seiner Kamera beziehen. Das finden sie dann doch doof und hüpfen schnell davon.
Wieder nur ein kurze Etappe, aber wieder gibt es viel zu sehen.
Ich verlasse Denmark, nächster Stopp Walpole. Leider ist heute wieder kein Strandwetter, es ist ziemlich ungemütlich, sonst hätte ich sicher einen Abstecher ans Meer gemacht. Ocean und Lights Beaches sind bei Surfern beliebt und Treffpunkte für die Wellenreiter. Für Badende sind die Strandabschnitte hier aber wegen der starken Strömung und der mächtigen Wellen nicht geeignet. Ich habe einen anderen Punkt auf meiner Agenda: den William Bay Nationalpark.
Die Elephant Rocks warten auf mich. Mit viel Phantasie kann man eine gedrängte Elefantenherde erkennen. Ohne sind es einfach gigantisch große Granitfelsen. Nur wenige Meter daneben ist der Green's Pool. Eine geschützte Bucht mit, wie sollte es anders sein, grünlichem Wasser, die zum Baden einlädt.
Ein Schild zeigt mir den Weg zum Waterfall Beach. Das muss ich sehen, klingt beeindruckend. Also wandere ich die 2,5 km an der Küste entlang. Schön ist es. Dort angekommen, stelle ich allerdings fest, dass man auch mit dem Auto hätte hinfahren können. Hmmmm... na gut. Gehen ist gesund.
Aber der Waterfall Beach schießt wirklich den Vogel ab. Erstens habe ich in den letzten Tagen wirklich viel schönere und weißere Strände gesehen. Aber der namensgebende Wasserfall ist der Kracher. Ein kleines, bescheidenes Bächlein plätschert höchstens 1,5 Meter zum Strand hinunter. Das sieht wirklich ein bisschen albern aus. Ich wandere zurück und fahre mit Kalli weiter zum Walpole-Nornalup National Park. Jetzt wird es groß!
Über den Valley of the Giants Tourist Drive fahre ich durch das Tal der Giganten zum Tree Top Walk. Nur hier wachsen die seltenen Tingle Trees. Die riesigen Eukalyptus-Bäume sind Überbleibsel aus der Vorzeit und ragen bis zu 80 m hoch in den Himmel. Damit man sie ein bisschen besser angucken kann, gibt es den Baumwipfelpfad "Tree Top Walk". Ich wandere über den 600 m langen Rundweg, der bis zu 40 m hoch ist, und habe einen traumhaften Blick auf die Karriwälder. Höhenangst sollte man besser nicht haben, durch die Gitter kann man auf den Boden gucken, und außerdem ist das ganze eine wackelige Angelegenheit. Die Brücken schwanken, je nachdem, wieviele Menschen gleichzeitig auf einer gehen. Nach dem Höhenweg gibt es dann auch noch die bodenständige Variante. Ein Rundweg zwischen den bis zu 400 Jahre alten Tingle Trees hindurch. Ich versuche die Ausmaße der Baumriesen auf Fotos festzuhalten, keine Chance. Also muss ich mir das einfach ins Gedächtnis brennen.
Nicht weit entfernt vom Nationalpark liegt der kleine Ort Walpole. Mein Nachtquartier für die nächsten zwei Nächte. Ich checke ein und werde auf meinen Platz schon von einigen Kängurus empfangen. Ein Mama mit ihrem Baby im Bauch ist überhaupt nicht scheu und lässt sich nicht gerne vertreiben. Aber nützt nix, ich kann Kalli ja nicht auf dem Weg abstellen. Irgendwann bewegt sich die Känguru-Dame und lässt uns einparken. Während ich noch das ein oder andere Mal zu den Waschhäusern laufe, weil mal wieder Waschtag ist, begegnen mir noch ein paar Kängurus. Die scheinen sich hier ganz wohl zu fühlen.
Weiter geht die Reise. Ich verabschiede mich aus Albany und fahre ein bisschen weiter. Die heutige Etappe ist kurz, es sind nur ca. 120 km bis Denmark. Aber es gibt einiges zu sehen und der erste Stopp liegt schon 10 km südlich von Albany: Die Flinders Peninsula, der Torndirrup Nationalpark und die Frenchman Bay. Spektakuläre Küsten und hügeliges Buschland erwarten mich. Zuerst fahre ich auf die östlich gelegene Flinders Peninsula, leider ist das äußere Ende, der Bald Head, nur über einen 10 km langen Fußweg zu erreichen, das ist mir heute etwas zu lang. Aber zumindest ein Stück gehe ich, die Aussicht auf den weißen Istanbul Beach und den Misery Beach kann ich mir nicht entgehen lassen. Beim zweiten kann ich nicht widerstehen. Kalli steht gleich oberhalb des Strandes und ich werfe mich in den Badeanzug und springe in das türkisfarbene Wasser. Ein Traum. Aber es gibt noch so viel zu sehen und mir bleibt nicht viel Zeit zum Verweilen. Die Felsformationen "The Gap" und "Natural Bridge" habe ich noch von meinem letzten Besuch vor 22 Jahren in Erinnerung... in guter Erinnerung. Das muss ich mir doch auf jeden Fall noch einmal angucken. "The Gap" ist eine 40 m tiefe Felsspalte in den Granitklippen und die Wellen brausen mit Wucht hinten, sodass die Gischt in die höhe spritzt. Von einer Aussichtsplattform über der Spalte hat man einen tollen Blick auf das tosende Wasser. Nur wenige Meter daneben spannt sich die mächtige Felsbrücke von einem Fels zum nächsten. Auch hier gibt es eine Aussichtsplattfor, von der man beeindruckende Fotos der Brücke machen kann. Auf die Brücke selbst kann man allerdings nicht (mehr). Ich habe noch Fotos von mir oben drauf. Keine Ahnung, warum sie das alles abgesperrt haben. Zu gefährlich? Wahrscheinlich ist mal jemand runtergefallen... Also nur ein Foto von der Brücke... ohne mich.
Ich fahre die Straße weiter Richtung Frenchman Bay und komme zu den Blowholes. Leider pusten und grummeln sie nur, bei anständigem Wellengang wird das Wasser durch die Felslöcher fontänenartig nach oben gedrückt. Heute nicht, keine Wellen. Und weiter geht's. Wieder ein Stück fahren zu Jimmy Newells Harbour, einem schmalen Meereseinschnitt und zum Stony Hill, der höchsten Erhebung, von der man dann noch einen schönen Rundblick hat. Es ist soooo schön. In der Frenchman Bay ist die historische Walstation mit einem Museum, das unter anderem ein altes Walfangboot ausstellt. Will ich mir das angucken? Das Boot sehe ich auch von außen und der Rest? Nee, heute nicht. Das Wetter ist toll und ich muss ja auch noch ein bisschen fahren.
Also geht meine Fahrt weiter nach Denmark. Auf der Strecke gibt es weitere spektakuläre Küstenabschnitte. Ich halt ab und zu an und gucke mir die Klippen und Küsten an. Am Nachmittag erreiche ich dann meinen Campingplatz in Denmark und werde gleich mal von ein paar Pelikanen begrüßt. Ich wandere ein bisschen durch die Gegend und stelle fest, dass hier nicht so viel los ist... von den Pelikanen mal abgesehen. Also fahren Kalli und ich doch noch einmal in die 2,5 km entfernte Stadt. Also, wenn man überhaupt von Stadt sprechen kann. Denmark hat knapp 5.000 Einwohner, ist aber das Touristen- und Landwirtschaftszentrum der Region. Rund um Denmark laden viele beeindruckende Strände ein, die Stadt an sich liegt nicht direkt am Meer sondern am geschützten Naturhafen Wilson Inlet, der nur durch einen schmalen Ausgang mit dem offenen Meer verbunden ist. Die "Innenstadt" besteht aus einer verkehrsberuhigten Straße mit Cafés und kleinen Geschäften. Ich bummele ein bisschen durch die Gegend und gönne mir einen Kaffee bevor ich wieder zurück auf den Campingplatz fahre.
Bluff Knoll - nächster Versuch
Nun aber! Der Wetterbericht ist super, ich bin bereit. Der Wecker klingelt das erste Mal in diesem Urlaub und ich mache mich auf den Weg zum Stirling Range Nationalpark. Das sind ca. 80 km Richtung Norden. Die Strecke ist schnell geschafft. Stau gibt es hier nicht, eigentlich sowieso nur sehr wenige Autos. Ein paar Roadtrains, ein paar Camper und einige Wohnwagengespanne bevölkern die Straßen. Einfache Autos sind in der Minderheit.
Ich erreiche den Parkplatz, zahle meine Nationalparkgebühr und mache mich auf den Weg. Als verantwortungsvolle Wanderin halte ich mich natürlich an die Tipps: Genug Wasser mitnehmen, unbedingt eine Regenjacke einpacken und warme Klamotten nicht vergessen. Der Weg ist anstrengend und das Wetter ändert sich schnell. Auf dem Gipfel ist es immer windig und nach der Anstrenung ist man ausgekühlt... aha! Also, ich habe alles dabei. Habe vorsichtshalber eine lange Hose angezogen (der Wetterbericht hatte 11 bis 13 Grad und Wind vorhergesagt) und auch die Mütze (!!!)j eingepackt. Schon am Anfang ist mir vor allem eins: warm. Die Sonne scheint, Wolken gibt es keine und von der steifen Brise merke ich auch nichts. Nach gut 100 m kommt die erste Bank. Das ist jetzt nicht ihr Ernst. Es geht noch nichtmal richtig bergauf und hier steht schon eine Bank? Naja, immerhin kann man von hier gut den Gipfel angucken. Vielleicht ist sie auch für Anghörige, die warten müssen, weil sie nicht fit genug sind? Aber der Reiseführer sagt, man braucht 3 bis 4 Stunden, da müssen die ganz schön lange warten. Wieso dauert das eigentlich so lang? Das sind 4 km eine Strecke... ich werde es sehen.
Es ist viel über den Bluff Knoll geschrieben worden. Was man zu tun und zu lassen hat. Wie "gefährlich" der Aufstieg ist, nur für geübte und vor allem trainierte Wanderer usw. Dass allerdings der Aufstieg vor allem aus Stufen besteht, haben sie alle für sich behalten. Ich finde das ganz schön anstrengend und würde den Aufstieg lieber auf natürlichem Weg absolvieren. Aber egal, hier sind es Stufen. Der Ausblick ist schon unterwegs ein Traum und ich schraube mich langsam nach oben. Voll ist es nicht, aber mir kommen einige entgegen, die mir "viel Glück" wünschen. Oh Gott, so schlimm? Ich lasse mich nicht abhalten und wandere weiter. Ab und zu eine Trinkpause und weiter geht's. Irgendwann komme ich zu einem Schild, dass ich das Wetter und meine körperliche Verfassung checken soll. Wenn eines von beiden nicht ok ist, soll ich lieber umkehren. Ich gucke nach oben, keine Wolke, und höre in mich rein, alles bestens. Weiter geht's. Irgendwann gehen die von Hand gemachten Stufen dann doch in einen natürlichen Aufstieg über. Viel besser. Natürlich geht der Aufstieg dadurch nicht so schnell, aber für die Beine, also zumindest für meine Beine, ist es wesentlich angenehmer.
Kurz vor dem Gipfel kommen mir wieder ein paar Menschen entgegen. Unter anderem ein Mann, der mir alles Gute und viel Spaß wünscht. Der Blick von oben wäre atemberaubend. Das hoffe ich, dafür krabbel ich hier hoch.
Und er hat nicht übertrieben. Es ist wirklich fantastisch. Die Gebirgskette der Stirling Range erhebt sich aus dem flachen Umland und dadurch ist kein Berg im Weg und man kann bis zur Küste gucken. Es sind aber auch ganz schön viele Menschen hier oben. Wo kommen die her? Unterwegs war es doch relativ leer.
Ich mache eine Pause, lasse die Eindrücke auf mich wirken und mache mich wieder auf den Rückweg. Runter ist ja oft noch anstrengender als hoch und die Stufen sind nicht gerade kniefreundlich, aber es geht trotzdem flott voran. Jetzt habe ich auch mal ein Auge für die tolle Flora. Die Wildblumenblüte ist in vollem Gang und es ist wirklich schön und bunt. Ob es nun wirklich 128 Orchideenarten sind? Keine Ahnung, ich weiß nicht mal, welche von den mir unbekannten Pflanzen in die Gattung der Orchideen fallen, ich kenne nur die, die es bei uns in der Gärtnerei oder im Baumarkt gibt.
Der Abstieg geht flott voran, einmal rutsche ich aber doch weg und falle auf die Hand. Sie wird blau und ich wieder ein bisschen vorsichtiger. Und dann kommt mein Einsatz: Ich nutze die Bank am Eingang, setze mich und gucke mir noch einmal den Gipfel von unten an. Fazit: 687 Höhenmeter, Gipfel auf 1073 m erreicht, Dauer 2:31 Stunden. Ich brauchte keine Regenjacke, keine Mütze, die lange Hose war ok, nicht wegen der Kälte, eher wegen der schneidenden Gräser am Wegrand. Den Hoodie habe ich auf dem Gipfel übergezogen, der Wind war manchmal frisch, ohne wäre aber auch gegangen. Ich hatte 1,5 l Wasser mit, das reichte auf jeden Fall. 3 Liter hätte ich da nicht hochschleppen wollen. Und sonst so? Hat Spaß gemacht und ich freue mich, dass das noch geklappt hat.
Auf dem Weg zu meinem Auto treffe ich den Mann vom Aufstieg wieder, wir tauschen ein paar Worte und jeder geht zu seinem Camper. Und dann treffen wir uns auch noch im Café an der Straße wieder. Jetzt reden wir mal ein bisschen länger miteinander und stellen fest: Holger kommt aus Ulm und fährt ein paar Wochen mit seinem Camper durch Westaustralien. Nach einem gemeinsamen Fish & Chips Essen, trennen sich unsere Wege wieder. Er fährt Richtung Osten, mich zieht es nach Westen. Den Abend verbringe ich noch einmal in Albany. Die Sonne scheint und ich kann endlich mal vor Kalli sitzen... und die Füße hochlegen.
Die Wettervorhersage für die Stirling Range ist auch heute nicht gut. Also disponiere ich um und lasse es gemütlich angehen. Erst einmal wird gefrühstückt und ich wandere ein bisschen durch die Gegend. Mein Camping Platz liegt am Middleton Beach, das ist ein Vorort und wirklich hübsch. Es ist der einzige Sandstrand und ich hatte mir das ganz schön vorgestellt, aber das Wetter meint es besser zu wissen. Am Strand liegen ist ja auch gar nicht gesund. Die "Innenstadt" ist ca. 2 km entfernt, wenn man den schöneren Weg um den Berg und eine Landzunge herum nimmt, sind es sogar sechs. Ich entscheide mich erst einmal für den schönen, aber längeren Weg am Wasser entlang. An der Strecke stehen immer wieder Hinweisschilder, welcher europäische Seefahrer denn wann irgendwo gelandet ist. Die Bucht ist malerisch und durch die vorgelagerten Inseln auch gut geschützt. 1791 entdeckte der Engländer Captain Vancouver den Naturhafen und 1826 kamen mit Major Edmund Lockyer die ersten Strafgefangenen aus England, um dort ein Gefängnis zu errichten und das Gebiet vor einer französischen Kolonialisierung zu bewahren. Soweit zur Geschichte.
Irgendwann komme ich dann auch am Hafen an, der bis heute der wichtigste im Südwesten ist. Sieht aber nicht so spektakulär aus. Wenn man aus Hamburg kommt, ist die Erwartung an einen "Hafen" vielleicht etwas übertrieben.
Bis zum Zentrum sind es immer noch ein paar Meter, aber die Gegend wird wieder spannender. Erst kommt der Yachthafen, dann das Entertainmentcentre und die ersten Cafés. Und direkt am Wasser endet auch die Hauptstraße. Aber erst einmal fällt mir ein altes Segelschiff ins Auge: Die Amity. Es ist nicht das Original, sondern ein Nachbau, der zeigen soll, mit welcher Art Schiffen, die Engländer hier vor ein paar hundert Jahren angekommen sind. Also, ich hätte mit dem Ding nicht mal einen Tag fahren wollen, geschweige denn um die halbe Welt. Das muss ganz schön eng gewesen sein, von der mangelnden Hygiene und der fehlenden Privatsphäre mal abgesehen. Direkt daneben ist das Museum of the Great Southern, in dem man alles über die Geschichte und die Besiedlung des Ortes und der Umgebung erfährt. Und nicht weit entfernt steht auch das Gefängnis... da war doch was?!? Leider ist es geschlossen, ich hätte schon gern gesehen, wo die armen Gefangenen nach ihrem "Viehtransport" auf dem viel zu engen Schiff gelandet sind.
Ich wandere weiter durch die Stadt. Jetzt auch die Hauptstraße entlang. Vorbei an einer Burg... eine Burg? Hier? Das Gebäude sieht tatsächlich eher mittelalterlich aus. Aber ich bin ganz sicher, im Mittelalter standen hier noch keine Häuser, auch keine Burgen. Es handelt sich um die St. John's Angel Church. Da hat sich aber einer ausgetobt, um ein bisschen Heimat in die Fremde zu bringen. Sie ist von 1848 und damit die älteste in Westaustralien. Nur ein paar Meter weiter steht das Rathaus... das wiederum eher wie eine Kirche aussieht. Ansonsten handelt es sich um eine typisch australische Kleinstadt. Mit vielen netten Cafés und kleinen Geschäften. Alles ist hübsch und sauber, der Tourismus spielt hier schon eine große Rolle und die vielen neuen Strandhäuser ziehen auch ein bestimmtes Publikum an.
Mein Rückweg geht dann an der Straße entlang. Ich nehme jetzt den direkten Weg. Vorbei an der Strawberry Hill Farm, eines der ältesten Famhäuser des Staates. Es wurde 1827 gebaut und beherbergt heute ein Museum, das, wie sollte es anders sein, es ist Samstag, heute geschlossen ist. Gut, dann eben nicht. Wahrscheinlich werden auch nur Gegenstände aus der Pionierzeit gezeigt und die habe ich ja jetzt schon ein paarmal gesehen.
Am Abend regnet es wieder. Irgendwie ist mir ein Abend am Strand oder in einem Strandcafé nicht gegönnt. Der Wetterbericht sagt für morgen immer noch gutes Wetter voraus. Ich hoffe also, dass es mit der Sterling Range und der Besteigung des Bluff Knolls klappt. Das heißt, früh aufstehen, früh losfahren...
Nach einem kurzen Abstecher am Wasser breche ich direkt auf nach Albany. Irgendwie hatte ich es mir in Bremer Bay netter vorgestellt. Aber gut, kann ja nicht nur Highlights geben.
Nach Albany sind es nur 170 km, ich fahre aber einen Umweg, weil ich noch einen Stopp im Stirling Range National Park einlegen möchte. Schon von Weitem kann man die Gebirgskette sehen, die aus dem ansonsten platten Land hervor ragt. Und der höchste Berg dieses Gebirges ist der Bluff Knoll. Was für ein toller Name, da habe ich doch gleich mal Lust, drauf zu steigen. Nach einer guten Stunde erreiche ich die Rangerstation und der nette Ranger erzählt mir, dass von dem Aufstieg auf jeden Fall abzuraten ist. Es zieht Regen und Nebel auf und dann ist der teilweise steile Aufstieg auf jeden Fall zu gefährlich. Davon abgesehen, dass man oben eh nichts sehen kann. Ich wundere mich, denn bis eben war es eigentlich noch ziemlich sonnig. Aber, der Berg ist launisch, heute besser kein Aufstieg. Mist. Und nun? Ich fahre ein bisschen rum, gucke nach Alternativen und werde von meinem ansonsten immer recht guten Orientierungssinn komplett getäuscht. Anstatt nach Westen, fahre ich wieder Richtung Norden. Sehe dabei, dass sich um den Bluff Knoll tatsächlich die dunklen Wolken sammeln und man ihn irgendwann gar nicht mehr sehen kann. Danke also an den Ranger. Meine Fahrt geht weiter und da es keinen Handyempfang gibt, hilft mir Google Maps nicht weiter und Kalli hat leider kein Navi. Irgendwann komme ich in irgendeinen kleinen, typisch australischen Ort: Gnowanderup. Ich glaube, Touristen kommen hier nicht so viele, im Reiseführer gibt's den auch nicht und ich falle mit meinem großen Auto ein bisschen auf. Also, große, seeeehr große Laster kennen sie, die fahren hier schon entlang, aber Camper? Wahrscheinlich eher selten.
Ich gönne mir erst einmal einen Kaffee und eine Zimtschnecke und weiß immer noch nicht wo ich bin. Das Handy hat inzwischen wieder ein bisschen Empfang. Das wundert mich total. Beim letzten Mal hatte ich solche Probleme nie. Aber da habe ich es vielleicht auch nicht mitbekommen, Hardy hatte ja das gute Mercedes Navi, da war ich nicht auf Handyempfang angewiesen. Ich kann aber zumindest mal gucken, wo ich mich eigentlich befinde und wo ich hin muss. Da stelle ich fest, komplett in die falsche Richtung gefahren. Mist. Ich suche mir eine Route und finde auch ein Hinweisschild nach Albany. Gut, dass ich heute keine 500 km Strecke auf dem Zettel habe. Jetzt sind es noch gut 100 und ich komme irgendwann nachmittags auf dem Campingplatz an. Der liegt direkt am Meer. Nur schade, dass es schon wieder regnet und ich erst einmal gar keine Lust habe raus zu gehen. Aber irgendwann mache ich doch noch einen kleinen Spaziergang an der Promenade und auf die nahe Landzunge. Allerdings werde ich so nass, dass das überhaupt keinen Spaß macht.
Nach dem Frühstück breche ich in Esperance auf und setze meine Fahrt nach Westen fort. Aber ich fahre nicht direkt auf den Highway No. 1, der mich schon seit einigen Tagen begleitet, ich nehme noch eine 40 km lange Rundfahrt mit. Der Beginn des Great Ocean Drive ist direkt am Rotary Lookout auf dem Wireless Hill. Hier habe ich einen 360 Grad rundum Ausblick über die Stadt, die Küste und die vorgelagerten Inseln. Und wären sie noch nicht weggeschwommen, man hätte hier bestimmt auch eine tolle Sicht auf die vorbeiziehenden Grauwale. Danach kommt ein Lookout nach dem anderen und von allen hat man Ausblick auf die weißen Strände und das türkisblaue Wasser. Dazu ist auch der Himmel blau, mit ein paar Schäfchenwolken als Kontrast. Wenn doch bloß der doofe Wind nicht wäre.
Am Observatory Point kann man dann och auf die Twilight Bay sehen. Ich treffe ein australisches Paar auf der Treppe und wir kommen kurz ins Gespräch. Die Welt ist so klein. Ihre Tochter hatte mal eine Austrauschschülerin aus Hamburg und war selbst auch mal dort. Irgendwann wollen sie sich das auch mal angucken. Jetzt sind sie Rentner und fahren erst einmal ein paar Monate in ihrem eigenen Land herum. Kann ich gut verstehen. Ich hätte noch länger mit den zweien reden können, aber heute liegt eine lange Etappe vor mir und die Zeit wird knapp. Also setze ich meine Fahrt auf dem Great Ocean Drive fort und komme auch zum Pink Lake, einem riesigen Pink Lake. Aber dieser hat leider seine Farbe verloren. Es gibt auch eine Hinweistafel, warum der See jetzt weiß und nicht pink ist, hängt irgendwie mit den fehlenden Algen zusammen, die während der Blüte Beta Carotin produzieren. Aber warum die Algen jetzt weg sind, weiß ich leider nicht.
Der Rest der Fahrt ist nicht spektakulär und nimmt den ganzen Nachmittag in Anspruch. Ich erreiche kurz vor Feierabend den Caravan Park in Bremer Bay, checke ein, suche meinen Platz und noch ein bisschen spazieren. Ich glaube, ich war hier schon mal. Irgendwie kommt mir das Gelände total bekannt vor. Kann ja auch gut sein. Vor 22 Jahren habe ich schon mal eine Tour durch den Südwesten gemacht. Und wir kamen von der Welle und sind irgendwo auf einem Campingplatz abgestiegen. Ich muss Zuhause mal die Bilder angucken. Auf jeden Fall liegt der Platz ganz schön an einem See, der durch eine Sanddüne vom Meer abgetrennt ist. Und da fühlen sich wohl die Pelikane ganz wohl. Auf jeden Fall sitzen hier eine ganze Menge rum. Und später hüpfen mir dann auch noch Mama und Kind Känguru vor die Linse.
Heute machen Kalli und ich frei. Nach einem kleinen Morgenlauf wird erst einmal ausgiebig gefrühstückt und dann mache ich mich auf den Weg und bummele ein bisschen durch die Stadt. Ich gucke in die (wenigen) Geschäfte, trinke Kaffee, plane und buche die nächsten Stationen, sitze am Strand rum und lasse es mir gut gehen. Ja, das war's auch schon.
Was für ein wunderschöner Tag ... gleich nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg in den Cape Le Grand Nationalpark, der ca. 60 km östlich von Esperance liegt. Erste Abzweigung: Frenchman Peak. Natürlich kann ich nicht einfach an diesem „Berg“ vorbeifahren. Da muss ich hoch. 262 m werden ja wohl zu machen sein. Die Hinweistafel gibt 3 km und 3 Stunden Wanderzeit an. WAAAAS? Eine Stunde pro Kilometer? Ich bin gespannt, lasse mich aber natürlich nicht abhalten. Die Wanderschuhe sind geschnürt und ich wundere mich, mit welchem Schuhwerk andere Wanderer versuchen den Gipfel zu erklimmen. Nicht mein Problem. Es ist tatsächlich an einigen Stellen ziemlich steil und es gibt keinen ausgewiesenen Wanderweg. Nur ein paar Hinweistäfelchen, wo man ungefähr über den Felsen laufen sollte. Vor dem letzten Anstieg habe ich das Gefühl, ich wäre am Kili, sieht schon sehr ähnlich aus. Allerdings ist das bei dem ca. 5.500 m höher und entsprechend anstrengender. Nach einer halben Stunde habe ich den Gipfel erreicht und wundere mich erst recht über die 3 Stunden. Das muss für die Menschen in Flipflops gelten. Der Ausblick ist atemberaubend und ich erkenne schon, was mich an der Küste erwartet: Lange, weiße Strände und türkisfarbenes Wasser.
Ich mache mich an den Abstieg und freue mich einmal mehr über meine Schuhe. Die Menschen in Laufschuhen haben ernsthafte Probleme mit der rutschigen Oberfläche und mir entgegen kommen, es ist nicht zu glauben, zwei Menschen mit den Flipflops in der Hand, die gehen gleich barfuß. Das tut mir auf dem Vulkangestein (es gibt doch Vulkane in Australien) schon beim Zugucken weh. Aber, noch einmal, nicht mein Problem. Ich setze den Abstieg fort und auch die Fahrt im Nationalpark.
Nächste Anlaufstelle: Lucky Bay. Ein langgezogener, schneeweißer Sandstrand mit angrenzenden Dünen. WOW. Das ist so schön, nur dass die Autos (nur 4WD) fahren dürfen, stört den Anblick ein bisschen. Aber ich wandere ein bisschen am Strand entlang und halte die Füße ins Wasser. Ok, es ist nicht warm, aber auch nicht so kalt wie gedacht. Nur die Luft ist durch den starken Wind etwas kühl. Baden tut also niemand. Am Ende der Bucht warten wieder ein paar riesige Granitkugeln. Das sieht wirklich so aus, als ob irgendein Riese seine Murmeln hier vergessen hat.
Und weiter geht die Fahrt nach Thistle Cove. Eine weiter schneeweiße Sandbucht. Nicht ganz so lang wie Lucky Bay, aber auch superschön mit bizarren Felsformationen. Leider auch hier: Wind. Ich überlege wirklich mal ins Wasser zu springen. Aber im Moment ist es mir einfach zu kalt.
Das ändert sich, als ich die letzte Bucht Hellfire Bay anfahre. An dieser verhältnismäßig kleinen Bucht, ist es mit Abstand am "vollsten". Familien haben ihre Handtücher ausgebreitet und diverse Menschen springen in die verlockenden Wellen. Die Bucht liegt ziemlich geschützt und dadurch ist es fast windstill und warm. Erst wandere ich nur mit den Füßen im Wasser über den Strand. Dann kann ich der Verlockung nicht wiedersehen und springe auch hinein. Ein Traum! Das Wasser hat Ostseetemperatur, aber es ist trotzdem einfach toll. Und es ist so praktisch, dass Kalli mit trockenen Klamotten und allem, was ich brauche auf dem Parkplatz steht.
Irgendwann ist das Abenteuer Cape Le Grand National Park vorbei und ich mache mich auf die Rückfahrt, damit ich noch vor der Dämmerung zurück in Esperance bin. Ich will ja nicht unbedingt einem wildgewordenen Känguru über den Weg fahren. Da würde selbst der große Kalli den Kürzeren ziehen. Also: Fahrten in der Dämmerung und Dunkelheit vermeiden. Jawohl.
Pünktlich zum Sonnenuntergang um halb sieben stehe ich wieder auf dem Campingplatz. Es ist windig und nicht gemütlich. Also entscheide ich mich wieder, meinen Abend im Auto zu verbringen. Schade, aber draußen ist auch nichts los. Auch meine Mitcamper ziehen die Gemütlichkeit ihrer Behausung, einem Abend im strammen Wind vor.
Weiter geht die Reise. Richtung Süden, an die Küste. Bis Esperance sind es knapp 400 km und ich mache mich gleich nach dem Frühstück auf den Weg. Der ist nicht besonders aufregend und es gibt auch nicht viel zu gucken. Also gibt es nur eine kurze Eis-, Tank- und Pipipause und dann geht es weiter.
Am Nachmittag erreiche ich dann meinen Caravan Park in Esperance. Direkt am Wasser, das mich schon bei der Begrüßung in Türkis- und Blautönen anlacht. Ein Traum, da will man doch gleich mal reinspringen. Aber erst einmal springe ich aus dem Auto und... autsch, es ist saukalt und super windig. Ich tausche die kurze gegen die lange Hose, die Sandalen gegen Sneaker, werfe noch einen Hoodie über und mache mich mal an der Küste entlang auf in die Stadt. Die ist klein, gemütlich und gefällt mir. Die Cafés haben leider alle schon geschlossen, also wandere ich langsam zurück und mache mir in der hervorragend ausgestatteten Campkitchen selber etwas zu essen. Ich komme mit ein paar Mitcampern ins Gespräch, aber so lange kann man es leider nicht aushalten, es ist wirklich viel zu kalt.
Also mache ich es mir im Auto gemütlich. Kalli wird ganz schön durchgeschüttelt, aber es steht ja mit vier Beinen auf dem Boden und drinnen ist es warm und windstill. Ich nutze die Chance und telefoniere erst einmal ein bisschen mit der Heimat. Schön, wenn man einen australischen Handytarif hat, der alle Telefongespräche nach Deutschland, egal ob Festnetz oder Handy, kostenlos abdeckt.
So gut der Camping-Platz auch war, ich fühlte mich, also ob ich auf der Straße übernachtet habe. Direkt hinter einem Holzzaun donnerten die ganze Nacht die Trucks entlang, entspannt ist anders. Also lerne ich: Nur noch Campingplätze, die etwas abseits der Hauptstraße liegen. Aber dies war ja eh nur mein Übernachtungsstopp und so mache ich mich gleich früh auf den Weg zu einem größeren Ziel.
Bis Hyden sind es nur knapp 200 Kilometer und die Straße ist so gut wie gar nicht befahren. Es geht zwar erst einmal wieder Richtung Osten, aber eine andere asphaltierte Straße hätte es nicht gegeben. Der direkte Weg von Kalgoorlie nach Hyden wäre der Holland Track, der bestimmt super spannend, aber leider für Kalli und mich ungeeignet wäre. Also mussten wir den Umweg über Merredin machen. Aber halb so schlimm, gegen Mittag erreiche ich Hyden und reise guten Glaubens direkt zum Wave Rock weiter. Ich hatte in den letzten Tagen schon geguckt, im Caravan Park war leider nichts mehr frei und ich habe mich auf den schlichten Short Stay Campground eingestellt. Kalli ist ja Selbstversorger und eine Nacht ohne Strom und Wasser kriegen wir beide auf jeden Fall hin. Was mich ein wenig abschreckt, sind die Fotos von den Schlangen. Aber gut, wenn ich sie in Ruhe lasse, lassen sie mich auch in Ruhe.
Ich fahre an dem Campground vorbei, direkt zum Besucherparkplatz vom Wave Rock National Park. Und direkt neben dem Parkplatz ist auch der Caravan Park, also fragen kostet nichts und, was soll ich
sagen, Platz bekommen, direkt eingecheckt und Kalli abgestellt. Besser geht es nicht. Inklusive ist auch gleich die Parkgebühr, die mit dem Parkplatz entrichtet werden muss. Ich spare also auch noch
wahnsinnig viel Geld. ;-)
Aber nicht lang schnacken, ich mache mich direkt auf den Weg zur Welle. Vor 22 Jahren war ich schon mal hier. Da hat es mich so fasziniert, da musste ich doch gleich noch einmal wiederkommen.
Außerdem hatten wir gar nicht so viel Zeit. Die nehme ich mir jetzt und mache gleich noch eine Wanderung. Aber vorher lasse ich mich mit der Welle tragen. Leider ist es ganz schön voll. Kinder
versuchen die steile Wand hinauf zu klettern, Asiaten machen Fotos von links, rechts, oben unten, dann noch eine andere Konstellation und über allem schwebt mindestens eine Drohne, die sich anhört
wie drei Bienenvölker. Also klettere ich erst einmal auf den Felsen rauf. Was für eine fantastische Aussicht. Die Wege sind super ausgeschildert und ich nutze gleich mal den ganzen Rundgang. Wieder
unten geht es dann weiter zu Hippos Maul. Heißt wirklich so. Sieht aus wie ein riesengroßes aufgerissenenes Nilpferdmaul. Und ich habe Glück, ich bin ganz alleine dort. Keine nervigen Asiaten, die
sich von allen Seiten fotografieren lassen, keine Drohnen, die über mir surren und auch keine Busladungen anderer Touristen, herrlich.
Als die Busse auftauchen, mache ich mich weiter auf den Trail. An ausgetrockneten Flussbetten und Seen entlang, am Wave Rock Airport... einen Flieger habe ich in den zwei Tagen nicht gesehen, vorbei und irgendwann lande ich beim "Resort". Sieht aber ganz schön tot aus. Keine Ahnung, ob die Gäste erst abends anreisen, ob gerade keine Saison ist oder ob das Ding einfach seine beste Zeit gehabt hat, was ich mir allerdings nicht vorstellen kann. Die Lage ist toll, zwischen zwei Seen mit Blick auf den Felsen.
Am Ende meiner Wanderung komme ich noch am "Tierpark" vorbei. Eigentlich ist es nur ein kleines Gelände mit verschiedenen Tieren, die hier sowieso wohnen. Ich schätze, für die Touris, die Australien in drei Tagen machen, haben sie auch ein paar typische Tiere zusammen gesammelt. Ich komme hinter dem Gelände an und kann so einen Blick in das Gehege der Kängurus werfen. Die armen Tiere würden bestimmt viel lieber draußen rumhüpfen. Allerdings fällt mir auch eine Familie weißer Kängurus auf: Albinos. Die sehen ganz schön interessant aus. Und ich könnte mir vorstellen, dass sie, so ungetarnt wie sie sind, in der freien Natur keine Chance haben.
Im Café gönne ich mir erst einmal Kaffee und Muffin und gucke danach, ob Kalli noch da ist. Kein Problem, alles gut. Nur das mit dem Netz und dem Internet funktioniert hier gar nicht. Ich bin vollkommen lost. Gut, kann man nichts machen. Mit der Abenddämmerung und den fliehenden Tagestouristen gehe ich noch einmal zur Welle. Endlich ist es leer und ich kann mich alleine über die Aussicht freuen. Naja, fast. Denn, wie sollte es anders sein, über mir dreht wieder eine surrende Drohne ihre Kreise. Ich wandere wieder auf den Felsen, um mir von oben den Sonnenuntergang anzugucken, was soll ich sagen: ein Traum.
Ich hatte euch in den letzen Tagen verheimlicht, dass Kalgoorlie eigentlich Kalgoorlie-Boulder heißt. Der Fund Hannans löste 1893 den größten Goldrausch in Australiens Geschichte aus. Und der Straßenabschnitt, auf dem damals das Gold gefunden wurde, wird noch heute als "The Golden Mile" bezeichnet. Später wurden dann tiefer liegende Goldadern etwas weiter südlich entdeckt und es entstand die Ortschft Boulder. 1989 schlossen sich die beiden Gemeinden zu einer Stadt zusammen und nun haben sie einen Bindestrich.
Warum ich das alles erzähle? Weil ich mir heute vor der Abreise noch Boulder ansehe. Und da gibt es dann alles noch einmal: Ein Theater, ein Gericht, eine Goldbank und ein Rathaus. Aber eigentlich, ist es das gleich Problem wie in Kalgoorlie. Die Häuser haben ihre besten Zeiten schon gehabt. Gericht und Rathaus wurden renoviert, die privaten Häuser in der Hauptstraße sehen ganz schön traurig aus. Bevor ich die Stadt nun Richtung Westen verlasse mache ich noch einen Abstecher zum Supre Pit Lookout. Der Aussichtspunkt blickt auf ein riesiges Tagebauloch. Bevor dieses Riesen Loch entstand, waren an dieser Stelle 80 kleine Untergrundminen. Die Super Pit hat inzwischen die gigantischen Ausmaße von 3,7 km Länge und 1,5 km Länge und ist 600 m tief. Die monströsen Bagger und Laster (ich lerne beim studieren der Wandtafeln, dass jeder einen Wert von 4 Mio A$ hat und hier 40 Stück davon rumfahren), die ich gestern in Hannans Mine bewundern durfte, sehen vom Aussichtspunkt wie Spielzeugautos aus. Das Ganze erinnert mich sehr an das Miniaturwunderland.
Ich steige wieder in meinen kleinen Kalli und fahre auf dem Goldfields Highway weiter. Die Lasterdichte ist inzwischen wesentlich dichter geworden und so manch Roadtrain mit vier Anhängern (23 Achsen!!!) kommt mir entgegen. Hier wird schon ganz schön viel über die Straße transportiert. Obwohl die ganze Zeit parallel die Bahnschienen verlaufen. Und nicht nur das. Parallel zur Straße verläuft über hunderte Kilometer ein Rohr. Da es mich interessiert, lese ich mal nach, was das ist: Wasser! Gold kann nicht ohne Wasser abgebaut werden. Und Wasser war und ist im Landesinneren immer noch ein kostbares Gut. Also hatte man die Idee, in Perth ein Wasserreservoir zu bauen und es von dort per Pipeline nach Kalgoorlie zu transportieren. Das Problem: Kalgoorlie liegt etwa 400 m höher als Perth, muss also bergauf gepumpt werden. Trotz aller Widerstände und Schwierigkeiten wurde 1898 begonnen den Plan umzusetzen. Und schon 1903 war die Pipeline fertig. Der Ingenieur, der das alles geplant und gebaut hat, erlebte die Einweihung des Baus nicht, er nahm sich wegen der andauernden Kritik vorher das Leben.
Und, unglaublich, noch heute erhalten die Bewohner Kalgoorlie-Boulders, sowie die Minen, die umliegenden Kleinstädte und Farmen, ihr Wasser aus Perth. Für den 550 km langen Weg benötigt es knapp 10 Tage! Und ich fahre die ganze Zeit an dieser Pipeline entlang.
Bis nach Merredin. Keine besonders spannende Stadt. Aber eine kleine, australische Siedlung. Warum ich hier absteige? Weil ich zum Wave Rock möchte und der Weg dorthin für eine Etappe zu weit ist. Also mache ich hier einfach mal Stopp und mache... nix.
In Kalgoorlie gibt es einiges zu gucken, ich bleibe also gleich mal zwei Nächte. Außerdem muss ich ein bisschen Hausarbeit übernehmen, oder sollte ich lieber sagen, Autoarbeit? Also, was ich sagen will, bis Perth ist es noch weit und ich kann die Bettwäsche nur in den Agenturen des Vermieters tauschen, das ist mir zu lang, also muss ich die Stoffberge mal in die Waschmaschine schmeißen. Zum Glück gibt es auch einen Trockner und das Ganze ist schnell erledigt.
Danach fahre ich zur Hannans North Tourist Mine. Das ist ein Freilichtmuseum, in dem historische Gebäude und Werkzeuge ausgestellt werden. Außerdem wird die gesamte Geschichte des Goldrausches vom Anfang bis heute erklärt. Und die riesigen Minenlaster, die aktuell in den Minen rumfahren, sind der Hammer. Ich versuche mein Glück und wasche ein bisschen Gestein, aber es will einfach nicht glitzern und schimmern, kein Gold für mich. Hätten sie ja ruhig ein bisschen was reinwerfen können. So muss ich wohl doch irgendwann mal wieder ein bisschen arbeiten. Aber das Museum ist schon echt spannend.
Den Nachmittag bummele ich durch die Stadt und bewundere die alten Häuser in der Hauptstraße, die übrigens Hannenstreet heißt. Warte mal, da war doch was. Wer war dieser Hannan? Kleiner Exkurs: Paddy Hannen - die Legende von Kalgoorlie - kam 1889 nach Westaustralien und versuchte auf den Goldfeldern sein Glück. Er reiste nach Coolgardie und fand schon nach kurzer Zeit erstes Gold. Er zog weiter Richtung Osten und fand durch Zufall am Fuß des Mount Charlotte an der Oberfläche Goldnuggets und damit wurde er zur Legende. Zurück zur Hannanstreet: Man sieht schon, dass das mal richtig Geld verdient wurde. Heute ist das leider nicht mehr so. Viele Geschäfte stehen leer und die einst prächtigen Häuser verfallen.
Ich hatte gestern Abend noch eine Horde Radfahrer in der Bar getroffen. Nachdem ich die sechs schon tagsüber auf der Straße überholt hatte, sind sie im gleichen Roadhouse abgestiegen wie ich... naja, so richtig viele Alternativen gibt es ja auch nicht. Aber was die machen ist schon cool. Mit dem Rad von Sydney nach Perth, einmal den Kontinent durchqueren. Das sind knapp 4000 km und zwischendurch ist die Strecke ganz schön zäh. Ich fand die Fahrt durch die Nullabor super spannend, aber auf dem Rad? Puh! Sie fahren ca. 200 km am Tag, mal mehr mal weniger. Und sie haben natürlich ihr Supporter-Team dabei. Mit zwei Wohnmobilen fahren Freunde und Familie die Strecke mit. Und wozu das Ganze? Für den guten Zweck... und fürs Ego.
Während wir so beim Bier gequatscht haben, ist der Campingplatz abgesoffen. Kalli hat ganz schön nasse Füße bekommen. Und ich auch, als ich mich später Richtung Bett begeben habe.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon wieder besser aus. Der Himmel ist blau und die Pfützen sind schon viel kleiner geworden. Und die Radler machen sich gerade fertig für die nächste Etappe. Übermorgen sind sie auch in Kalgoorlie, mal gucken, ob wir uns wieder über den Weg laufen. Nachdem Frühstück im Roadhouse, meine Vorräte sind ja ziemlich geschrumpft und ab und zu mal Ei auf Toast, ist ja auch ganz lecker, mache ich mich auch auf den Weg. Erster Stopp nach wenigen Kilometern: Ein Blowhole. Ich hatte schon einige gesehen und fand sie immer spannend. Dieses ist ziemlich enttäuschend. Es ist ein Loch blowen tut da nix. Kein Windhauch und erst recht kein Wasserschwall. Warum das jetzt einen extra Eintrag in meinem Reisefüher hat, erklärt sich mir nicht. Aber anscheinend ist das nur ein "Atmungsloch" eines ausgedehnten Höhlensystems unter der Erde... Da kommt man aber nicht rein und sehen kann man auch nix. Nun gut, ich gucke rein und sehe zu, dass ich weiter komme. Und direkt nach ein paar Metern steht dann das große Schild: "90 Mile Straight - Austalia's longest Straight Road - 146,6 km". Fotostopp und weiter...
Danach passiert auf der Strecke nicht mehr viel. Es gibt kaum, eigentlich gar keine, Abzweigungen mehr Richtung Meer. Ich mache mal eine Kaffeepause in Balladonia, aber das war's auch schon. Die von mir ausgeguckte Fraser Range muss leider auch entfallen, die Straße ist für meinen Kalli einfach zu "dreckig". Aber die Landschaft ändert sich. Es wird wieder grüner und bewachsener. Am Newman Rocks Rastplatz halte ich an und bestaune die Weite der Tiefebene.
Mit Norseman erreiche ich das Ende des Eyre Highways und bin zurück in der Zivilisation. Naja, viel los ist hier nicht, aber es gibt immerhin wieder Handynetz. Apropos: Ich hatte ja auf der gesamten Strecke durch die Nullarbor keinen Handyempfang. Und das, obwohl ich eine Telstra-Karte habe und die die beste Netzabdeckung im Land haben... reicht halt doch nicht bis in die letzte Einöde. Aber, was ich eigentlich sagen wollte, die ganze Zeit hatte ich da, wo eigentlich 5G o.ä. steht, einen kleinen Satelliten und SOS. Und ich habe mal draufgedrückt und der hat mich wirklich geortet. Also, ich wäre nicht verloren gegangen, ich hätte über Satellit Hilfe holen können. Ist doch auch ganz beruhigend. Gibt's das bei uns auch? Ich meine, das mit der Netzabdeckung funktioniert in Deutschland ja nicht wirklich gut, gibts da auch Satellitenempfang? Ich bleibe nicht in Norseman, da ist es mir zu langweilig. Ich fahre noch etwas weiter über den Goldfields Highway ins Goldgräberstädtchen Kalgoorlie. Vielleicht finde ich ja auch ein paar Gramm. Wäre ja ganz schön.
Erst einmal suche ich meinen Campingplatz und wandere am Abend noch ein bisschen durch die Stadt.