So, es geht los... Hatte ich nicht gestern gerade gesagt, es dauert noch 14 Wochen? War wohl doch nicht gestern.
Nun sitze ich ich am Flughafen München und warte auf den Flug nach Frankfurt. Nicht gerade der direkte Weg nach Chile, ich weiß, aber wir mussten doch gestern, diesmal wirklich gestern, noch unsere, also Eure, liebe Kollegen, Preise bei dem Eyes & Ears Award abholen.
Mein Blaues Wunder (der Rucksack inklusive aller daran befestigten und angetütelten Ausrüstungsgegenstände steckt in einem riesigen, quietschblauen Sack) ist durchgecheckt bis Chile und ich genieße schon mal meinen Urlaub mit vegetarischer Pizza, bevor es ab morgen nur noch südamerikanische Fleischberge gibt... oder so.
So, nächster Flughafen... das wäre dann der vierte in 36 Stunden... ganz guter Schnitt, wenn auch der ökologische Fußabdruck riesig ist...
Aber das ist ein anderes Thema. Ich sitze in Madrid, bin totmüde und würde gerne schlafen. Erst Gin Tonic, dann schlafen. Das dauert aber noch eineinhalb Stunden. Davon hat mir keiner was gesagt, das
habe ich so nicht gebucht... war aber bei einer angegebenen Flugzeit von 18 Stunden irgendwie zu erwarten. Ist irgendwie doch etwas zu lang...
Ich bin hier also erstmal gestrandet, von meinen Mitreisenden habe ich noch keinen entdeckt. Ich dachte ja, die würden so ähnlich aussehen wie ich, also mit Rucksack und dicken Boots, aber von denen laufen hier definitiv mehr als 12 rum... vielleicht sieht man so aus, wenn man nach Chile fährt... Naja, spätestens morgen weiß ich, wer von denen es ist.
Und jetzt höre ich auf zu schreiben. Nach müde kommt blöd... und Blödsinn rede ich oft genug, das muss ich nicht auch noch aufschreiben.
Also, bis morgen... in Chile :-)
Der Flug war ruhig, das Flugzeug nagelneou, das Entertainmentprogramm Umfangreich. Aber am Service muss man noch arbeiten. Nicht, dass die Flugbegleiter nur spanisch sprechen, kann ja auch mal ganz interessant sein, so eine Wundertüte unter Alu zum Abendessen, aber dass sie mit südamerikanischer Gelassenheit die Getränkeversorgung haben abbrechen lassen, dass hat mir spätestens um vier Uhr morgens Kopfschmerzen verursacht. Und da ich ja immer wieder gern am Fenster sitze, ist es nicht so einfach, über zwei schlafende Männer zu steigen, um mir ein Glas Wasser zu organisieren. Irgendwann ging es dann aber wirklich nicht mehr und ich habe mich vorbei gedrängelt, getrunken, Tablette genommen und weiter geschlafen.
Mit dem ersten Sonnenstrahl wache ich auf und bin total geflasht vom Ausblick. Unter mir die Anden,deren erste Gipfel von der Sonne geküsst werden (ha, ich kann auch poetisch!). Nee, im Ernst, großartiger Ausblick, dagegen sind die Alpen ziemlich überschaubar. Der Flugkapitän weist uns freundlich darauf hin, dass wir uns hinzusetzen und anzuschnallen haben, die Anden sind immer für die ein oder andere Turbulenz gut. Der Pilot scheint auch das einzige Crewmitglied in diesem Flieger zu sein, der englisch spricht, Wahnsinn. Alle anderen sprechen ausschließlich spanisch, neben mir sitzt zum Glück ein Steward im Urlaub und übersetzt, was die Stewardess, Entschuldigung, Flugbegleiterin, mir wortgewaltig zu verkaufen versucht.
Zum Frühstück gibt es Schinken-Käse-Croissant, nicht so gut wie im Transmo, aber auch ganz lecker, und kurze Zeit später erreichen wir unser Ziel. Santiago de Chile... im Nebel. Aber immerhin sind die Turbulenzen ausgeblieben, was ich nicht besonders bedauerlich finde. Bis kurz vor der Landung war strahlender Sonnenschein... und jetzt liegt eine riesige Wolkendecke über der riesigen Stadt.
Ich organisiere erstmal mein Gepäck und das blaue Wunder hat tatsächlich den Weg nach Südamerika gefunden. Durch Pass- und Zollkontrolle komme ich problemlos und am Ausgang treffe ich Petra,
unsere Reiseleiterin, die mit einem Schild ihre Leute zusammensucht. Und da stehen wir nun. Zwölf mehr oder weniger aufgeregte Menschen, mit denen ich in den nächsten vier Wochen neue Abenteuer
erleben will und werde.
Die Gruppe scheint ganz lustig, sechs Männer, sechs Frauen, alle im "besten Alter" ... geile Floskel, ich habe noch nie verstanden, wann das eigentlich,ist... und wofür überhaupt das beste
Alter?
Am Bus wird das Gepäck verstaut und es gibt einen Begrüßungstrunk, das lockert die Stimmung schon mal ein bisschen auf. Frank, der zweite Reiseleiter, fährt uns in die Stadt und Petra zeigt uns die
schönsten und bedeutendsten Plätze der chilenischen Hauptstadt. Alles ganz schön... aber irgendwie hätte ich doch ganz gerne erstmal geduscht. Ich bin jetzt seit 36 Stunden in meinen Klamotten. In
Santiago sin 30 Grad und ich habe Boots und Wollsocken an... aber ich habe ja ein Einzelzimmer, da kann ich niemanden mehr vertreiben, wenn ich die Schuhe ausziehe.
In in der Stadt ist es brechend voll. Es ist Wochenende und viele Chilenen nutzen den kommenden Feiertag (für alle Norddeutschen und nicht Katholiken: am Dienstag ist Allerheiligen) für ein langes Wochenende in der Hauptstadt.
Wir laufen fern durch die Altstadt bewundern den Palacio de la Moneda, den Präsidentschaftspalast. Früher eine Münzprägerei, daher der Name, heute der Sitz der Präsidentin und ein Platz mit historischem Wert. Hier brachte sich 1973 Präsident Allende um, als Pinochet und sein Militär beim Putsch die Macht an sich gerissen haben.
Weiter gehts zum Plaza de Armas, einem beliebten Treffpunkt mit schattenspendenden Palmen. Hier steht auch die Cathedral Metropolitania, die zwischen 1748 und 1800 von den Spaniern erbaut wurde und vollgestopft ist mit Gold.
in den Arkaden am Plaza de Armas gibt es auch da erste typisch chilenische Mittagessen. Einen Auflauf aus Hünchen, Hack und Maisbrei. Das Ganze wird im Ofen gebacken und mit Chilisauce übergossen... ich würde sagen "gewöhnungsbedürftig", weil durch den Mais furchtbar süß. Aber man muss ja alles mal probiert haben.
Danach wandern wir weiter zum Cerro Santa Lucia, einem Hügel, von dem man einen tollen Blick auf die Stadt hat... wenn sie nicht gerade im Smog verschwindet. Und da das eigentlich dauerhaft der Fall ist, sieht man leider nicht so viel. Auch nicht die Anden, die die Stadt im Osten begrenzen. Zum Abschluss unserer Stadtbesichtigung fahren wir mit der U-Bahn zu einem Handwerkermarkt im Osten, die Luft ist besser und endlich tauchen auch die Berge aus dem Smog auf. Keiner ist richtig in Shoppinglaune und so trinken wir lieber Kaffee und essen "Kuchen", der hier wirklich so heißt.
Um 5 Uhr kommt Frank mit dem Bus und bringt uns zum Hotel und endlich zur Dusche. Dort essen wir auch und trinken den ersten chilenischen Wein... bis alle erschöpft in die Betten fallen.
Ich habe geschlafen wie ein Stein. Ich habe es nicht mal mehr geschafft, den Wecker zu stellen, aber als ich um 5 Uhr wach werde, hole ich das nach und schlafe direkt weiter.
Nach einem ausgiebigen Frühstück steht der erste Bustag auf dem Programm. Wir starten und folgen der Panamerikana in den Süden. Unterwegs könnte man glauben, wir fahren durch Spanien, irgendwie hatte ich mir Südamerika anders vorgestellt, nicht besser, aber anders.
Wir machen Mittag an einem Rastplatz und Petra zaubert ein perfektes Picknick.
Am Nachmittag erreichen wir das Weingut von Rudi in der größten Weinregion Chiles in Chillan. Wir bauen unsere Zelte auf und Rudi, ein vor 15 Jahren ausgewanderte Schweizer, zeigt uns seinen Hof und seine Felder. Von Weinbergen kann man nicht reden, denn der Wein wächst hier nicht an Hängen, sondern auf dem platten Land.
Richtig spannend wird es natürlich erst im Weinkeller. Schon ganz lecker, was die hier produzieren. Lecker auch der Grillabend, mit dem wir verwöhnt werden. Es gibt Fleischberge und Wein... was braucht man mehr.
Und dann heißt es zum ersten Mal, ab in die Zelte. Es ist frisch, aber mein Schlafsack zum Glück warm und kuschelig.
Der Morgen grau und ziemlich feucht. (Klingt jetzt komisch) Die Zelte sind pitschnass, obwohl es gar nicht geregnet hat. Die Luftfeuchtigkeit scheint hier ziemlich hoch zu sein.
Die Nacht war kurz, um 8 Uhr gibt's Frühstück und vorher sollen alle Taschen am Bus sein. Aber das ist kein Problem, denn einen Wecker braucht keiner und das liegt nicht an den diversen Flaschen Wein gestern Abend. Gutes Zeug übrigens, denn keiner beklagt sich über Kopfschmerzen. Aber die ungewohnte Geräuschkulisse der schreienden Vögel hat dafür gesorgt, dass keiner sonderlich lange geschlafen hat.
Das Frühstück gibt's auf der Terrasse und wir fragen uns, wie denn wohl die Campingtage in Feuerland aussehen werden, denn schon jetzt sitzen viele mit Mütze und Daunenjacke am Tisch... aber vielleicht wird es ja nochmal wieder wärmer... wofür habe ich eigentlich zwei kurze Hosen eingepackt???
Und dann geht's weiter Richtung Süden... Erster Stopp sind die Lajas-Wasserfälle. Es hat in Chile in den letzten Jahren viel zu wenig geregnet und das heruntergekommene Wasser wird in den Bergen direkt in Stauseen aufgefangen oder zur Bewässerung der sehr üppigen Landwirtschaft direkt kanalisiert. Entsprechend "klein" sind die Wasserfälle inzwischen. Immer noch ganz hübsch anzusehen und für viele Chilenen ein nettes Reiseziel, aber ich habe schon größeres gesehen.
Mittagsstopp an einer Raststätte. Während Petra das Picknick vorbereitet, müssen wir versuchen die Zelte zu trocknen. Es ist arschkalt und windig... immerhin. Also, die am Morgen liebevoll verpackten Zelte wieder raus aus ihrer Pelle un in den Wind halten. Sieht ein bisschen aus wie der Kitekurs für Anfänger und so richtig viel bringen tut es auch nichts. Immerhin, jeder hilft jedem, auch eine Art gruppendynamischer Prozess. Zwischendurch kommt dann erstmal ein Carabinieri, um uns mitzuteilen, dass wir da wirklich nicht zelten dürften. Nicht? Schade, ist doch wirklich ein nettes Plätzchen, die Wiese an der Autobahn.
Frank kann das Missverständnis schnell ausräumen und wir haben es zumindest geschafft die Dinger ein bisschen trockener zu legen. Alles wird wieder verpackt und verstaut und wir fallen über das Mittagessen her.
Inzwischen findet sich auch in unserer Gruppe, was zusammen passt. Für jeden ist was dabei und ich fühle mich ziemlich wohl und habe meine Reisegenossen für die nächsten Wochen gesucht und gefunden.
Weiter gehts. Wir verlassen die Panamerikana und fahren Richtung Osten, Richtung Anden. Durch Villarica, einem schönen Städtchen am gleichnamigen See gelegen. Im Hintergrund der Berg, welch
Wunder, Villarica. Besonders einfallsreich waren sie hier bei der Namensgebung ja nicht. Der Berg ist ein aktiver Vulkan, der jederzeit wieder ausbrechen kann. Das letzte Mal tat er das 2015. Von dieser Gefahr ist in der Stadt und am See aber nichts zu spüren. Es wird eine Luxusherberge nach der anderen hingezimmert und es scheint, als ob niemand wahrhaben möchte, dass der Riese irgendwann alles unter Asche und Staub verschwinden lassen kann. Aber nicht mein Problem, Hauptsache, er hält in den nächsten vier Tagen die Füße still. Im Moment kann man auch nichts von der ständigen Rauchsäule sehen, im Moment kann man nicht mal den Berg sehen. Es ist alle grau und gießt aus Eimern.
Wir fahren noch ein Stück weiter und erreichen Pucón und beziehen bei Elvira unsere Zimmer für die nächsten drei Nächte. Was für ein Luxus. Drei Nächte im selben Bett. Bevor es aber ans Auspacken geht, möchte uns Elvira mit einem Willkommenstrunk in ihrem Haus begrüßen. Es gibt Rotwein (was sonst) und gefüllte Teigtaschen. Sie erzählt uns einen Schwank aus ihrem Leben... keiner versteht was, Elvira spricht nur spanisch, aber egal, der Wille zählt. Vielleicht kriegt sie es ja auch noch hin, dass die Heizung läuft... so richtig gemütlich ist der patagonische Frühling nämlich im Moment nicht...
Am Abend gehen wir dann noch gemeinsam essen und als wir zurückkommen ist es auch endlich warm in den Zimmern.
Heute steht die erste große Wanderung auf dem Programm.
Elvira hat hat uns ein reichhaltiges Frühstück bereitet und sie schleppt immer mehr an. Wir bereiten unser Lunchpaket und dann geht es los. Frank fährt uns in den Huerquehue Nationalpark. Je näher wir kommen, desto mehr regnet es. Der Weg schraubt sich langsam den Berg hinauf, die Straße ist nicht asphaltiert und das Auto ganz schön schwer, aber Frank macht das ganz sicher.
Oben angekommen, ziehe ich erstmal alles an, was ich habe. Vor allem die Regenklamotten. Die Wanderung geht über kleine Bergbäche, vorbei an riesigen Bäumen. Eigentlich soll man einen tollen Ausblick auf den Villarica haben... wir sehen nur grau und Matsch. Irgendwann geht der Regen in Schnee über und der Wald verwandelt sich in ein Winterwunderland, ein traumhafter Anblick und Bambus mit Schneehütchen sieht man auch nicht alle Tage.
Zwischendurch spielen wir ein bisschen Lawinenbingo. Immer wenn die Bäume die Schneemassen nicht mehr tragen können, fällt eine kleine oder nicht so kleine Menge herunter...irgendwen trifft es immer. Zum Glück halten meine Jacke und Hose dicht. So eine Härteprobe mussten sie noch nie überstehen.
Oben erreichen wir die drei Seen El Toro, Verde und Chico. Der Anblick ist toll und zwischendurch lässt sich tatsächlich mal die Sonne blicken. Im Schnee bei blauem Himmel sehen die eigenwilligen Araukarienbäume noch etwas seltsamer aus.
Wir machen eine kurze Rast, genießen unsere Mittagsstullen und brechen wieder auf.
Der Rückweg ist etwas beschwerlicher als der Hinweg. Der Schnee beginnt zu schmelzen' es gibt noch mehr Baumlawinen, aber vor allem ist aus dem Weg ein reißender Fluss geworden... nee, Quatsch, aber immerhin ein mittelgroßes Bächlein. Die nächste Härteprobe für die Schuhe, die ich zum Glück vorher nochmal gefettet habe. Auch sie halten dicht und tun einen großartigen Job. Es ist matschig, rutschig und nass, alles kein Problem.
Unten angekommen wird erstmal,der größte Dreck beseitigt, bevor es zurück ins Hotel geht.
Da wartet Petra dann leider mit einer schlechten Nachricht. Die Besteigung des Vulkanberges Villarica morgen muss leider ausfallen. Das Wetter ist einfach zu schlecht, es hat natürlich auch dort extrem geschneit und eine Besteigung wäre einfach zu gefährlich. Schade, ich hätte dem Dicken gerne mal in seinen rauchenden, und stinkenden, Schlund geguckt.
Aber er erstmal wird geduscht und dann geht es in die "Stadt" zum Abendessen.
Heute sollte ja eigentlich die Vulkanbesteigung stattfinden, aber daran ist leider nicht zu denken. Es hat auch gestern Abend wieder geschneit und geregnet und der Berg versteckt sich wieder hinter einer dicken, grauen Wolkenwand... alle anderen Berge übrigens auch.
Also wird erstmal entspannt gefrühstückt und dem prasselnden Regen zugehört.
Als Alternativprogramm steht der Besuch einer Therme auf dem Programm... ob man da auch 2 km schwimmen kann? ;-)
Wir sind die ersten Gäste und haben die Becken erstmal für uns. Jeder hat eine flotte, blaue Bademütze bekommen und wie wir so im dampfenden Wasser sitzen erinnert mich das sehr an die Schneeaffen von Japan. Das Wasser hat 34, 37 und 42 Grad. Also genau richtig, um einfach nur rumzusitzen und NICHT zu schwimmen. Aber auch das ist irgendwann langweilig, wir sind eingeweicht und durchgespült und verlassen die Therme. Auf dem Rückweg machen wir noch einen Abstecher zu den "blauen Töpfen", ich kenne sowas als "Blue Holes", aber die Schwaben, die den Großteil meiner Gruppe ausmachen, haben ja in vielen Dingen eine spezielle Wortwahl.
Zurück in Pucón heißt es noch ein bisschen shoppen zu gehen. Wir laufen durch die Stadt und besuchen wohl alle Outdoorgeschäfte... und kaufen genau gar nichts. Mein Rucksack ist voll, da passt nichts mehr rein und brauchen tue ich auch nichts. Außerdem ist es ja nicht gerade so, dass es hier ganz andere Ding gäbe als bei uns. Irgendwie sehen die Mammutklamotten hier genauso aus... und Schnäppchen sind es auch nicht. Aber Spaß hat es trotzdem gemacht.
Am Abend besuchen wir wieder ein Restaurant in der Stadt und es gibt ein 250 Gramm Filetsteak, perfekt gebraten, sehr lecker... und das ist ein Schnäppchen.
Beim Blutspenden werden sie denken, ich hätte mich gedopt. Der Eisenwert müsste nach der Reise explodieren und eine nie erreichte Höhe anzeigen. Bei den Fleischbergen hier aber kein Wunder.
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