Tag 30: Buenos Aires

Den Tag hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt... aber von Anfang an.

Der Morgen beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück im Hotel. Das Buffet ist tatsächlich mal besser sortiert als in den letzten Wochen... es gibt rote UND gelbe Marmelade und jeweils zwei Sorten Wurst und Käse. NEIN, das wäre jetzt gemein. Es gibt nämlich auch verschiedene Sorten Müsli, frische Säfte, frisches Obst und mindestens 15 verschiedene Kuchen und süße Teilchen :-) Die Argentinier essen halt eher sowas zum Frühstück. Ach so... und Rührei gibt es auch und alle anderen Eierspeisen kann man bestellen, also alles gut. Wer nicht satt wird, hat selber Schuld. 

 

Nach dem Frühstück mache ich mich gleich auf den Weg. Es ist bedeckt und ich entscheide mich, mal wieder, eine lange Hose anzuziehen. Ich wandere durch die Straßen nach Recoleta, wo,die reichsten Bürger von Buenos Aires wohnen. Ich besuche einen Kunsthandwerkermarkt und bestaune die ausgestellten Stücke, das ein oder andere würde mir schon gefallen. Aber der Rucksack ist voll, das Geld alle, nur gucken, nicht kaufen. :-)


War ich gestern schon fasziniert von den Prachtbauten, komme ich heute aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Aber bekannt ist der Stadtteil nicht wegen seines Prunks, die alten Herrschaftshäuser und teuren Boutiquen sind zwar ganz nett, aber der Anziehungspunkt für alle Touristen ist der Friedhof und ein Pflichtpunkt jeder Reise.. also auch meiner. Ich spaziere zwischen den beeindruckenden Gräbern herum, die mit Statuen und Denkmälern geschmückt sind. Natürlich besuche ich auch das Grab von Evita, das mit vielen Blumen geschmückt ist und dass ich durch die davor stehlenden Menschenmassen schnell finde. Faszinierender ist aber der Rest. Hier liegen ehemalige Präsidenten, Kriegshelden und Sportler. Jede Familie hat ihre eigene Krypta, alle anders, alle individuell. Darin oft verstaubte und teilweise zerbrochene Särge. Passend dazu beginnt es zu donnern und zu blitzen. Die Luft scheint elektrisiert, aber es bleibt trocken. Ganz schön spooky bei Gewitter auf dem Friedhof. Die Blitze kommen näher und ich beschließe weiter zu gehen. Als ich am riesigen Eingangsportal ankomme, beginnt es auch zu tröpfeln. Erst nur ein bisschen, dann immer mehr. Zeit für eine Kaffeepause, zum Glück gibt es genau gegenüber ein passendes Lokal. 

 

Ich also da rein. Ich trinke Kaffee, es regnet, ich trinke Wasser, es regnet, also bestelle ich auch noch einen Salat... aber es regnet immer noch. Ich verfolge inzwischen das HSV Spiel im Liveticker und schreibe ein bisschen mit der Heimat. Aber es will nicht aufhören zu regnen. Mit mir sitzen noch mehr Gestrandete dort, aber die Hoffnung wird kleiner, dass wir hier trocken rauskommen. Ich gebe auf und gehe los. Wir reden hier nicht von Hamburger Nieselpiesel sondern von argentinischem Regen. Sowas nennt man bei uns Starkregen und der kommt nur in Schauerform vor und nicht über Stunden... meistens zumindest. In kürzester Zeit bin ich durchnässt, ein Taxi ist nicht in Sicht, also laufe ich zurück zum Hotel. Als ich nach ca. 3 km dort ankomme, läuft mir das Wasser aus den Hosenbeinen und es gibt keinen Quadratzentimeter trockenen Stoff an meinem Körper... das meinten sie also, als sie von dem gefürchteten Regen in Argentinien sprachen. Aber lustig, als ich am Obelisken ankomme, verkauften die Straßenhändler, die am Morgen noch Sonnenbrillen und Selfiesticks anboten, alle Regenschirme. Ganz schön flexibel die Jungs. Apropos Obelisk. Da standen ne Menge aufgebrezelte, aber ebenfalls komplett durchnässte Teenies rum und jede Menge Polizei. Vor einem Hotel war eine besonders große Menschentraube. Ich hab es nachgeguckt, ein argentinische Milchbubi gibt da heute ein Konzert. An Konzert denke ich gerade nicht, eher an eine Dusche. Und genau dorthin begebe ich mich... direkt. Ich verteile erstmal die ganzen Klamotten zum trockenen und überlege mir, wie ich den weiteren Tag gestalte. Es schüttet immer noch und ich habe keine trockene Hose mehr. Hätte ich doch besser die kurze Hose angezogen, für die es jetzt zu kalt ist, jetzt hängt die Jeans triefend in der Dusche und die Wanderhose ist richtig dreckig, die mag ich nicht mehr anziehen. 


Nützt nix, ich föhne die Jeans trocken. Zumindest oben rum, ab Knie kann sie auch später noch trockenen.

Nachdem ich mich und meine Klamotten trockengelegt habe, hat sich auch das Wetter beruhigt und ich gehe nochmal, raus. Die gleiche Idee hatten wohl alle anderen auch. Es ist überall brechend voll. Nicht nur, dass beim Obelisken das Teeniekonzert stattfindet, auf der Avenue de Mayo war wohl heute auch der "Marcha de Orgullo", sowas wie der CSD. Auf den Straßen laufen noch immer viele durchnässte Menschen mit Regenbogenfahne herum und sind in Feierlaune. Ich habe Hunger und suche mir ein nettes Restaurant. Heute habe ich Bock auf Nudeln und ich finde eines, das auch gut aussieht... das ist aber auch auch alles. Am Ende habe ich die schlechtesten Nudeln und das auch noch zum teuersten Preis der ganzen Stadt gegessen... und unfreundlich waren sie auch noch... frei nach dem Motto "Vorsicht, Kunde droht mit Kauf". Ich habe die Faxen dicke und gehe zurück zum Hotel. War wohl nicht mein Tag heute. Hätte mir gern noch mehr angeguckt, aber bei dem Wetter macht das keinen Spaß. Morgen ist es hoffentlich wieder besser. 

 

Tag 31: Buenos Aires

Und es wird besser. Schon das Wetter verspricht einen guten Tag. Wieder frühstücke ich ausgiebig. Schade, dass das Restaurant im Keller ist, es kommt kein Sonnenstrahl in den Raum und das elektrische Schummerlicht ist nicht besonders einladend. Egal, ich lasse es mir trotzdem gutgehen.

 

Danach mache ich mich auf in die Stadt. Die Sonne scheint und da macht es gleich viel mehr Spaß. Ich mache mich auf Richtung Palast und Playa Mayor. Durch das Microcentro, dem Geschäftsviertel, das eher europäisch als südamerikanisch anmutet, vorbei an Glaspalästen, Touristen, Bettlern und Straßenmusikanten, erreiche ich irgendwann die Casa Rosada am Plaza Mayor. Die komplette Ostseite des Platzes wird von der rosa Fassade des Präsidentenpalastes eingenommen. Eigentlich ist es die Rückseite des Gebäudes, aber da Juan und Eva Perón hier auf dem Balkon mit ihren Reden das Volk begeistert haben, ist vor allem diese Ansicht bekannt.

 

Von der Plaza Mayor laufe ich durch die kleinen Straßen nach Süden nach San Telmo, das schönste und wohl geschichtlich interessanteste Viertel. Überall stehen niedrige, alte Häuser aus der Kolonialzeit. Ganz anders als die Prachtbauten gestern. Vor vielen Jahren zog es zahlreiche Künstler in dieses Viertel, die mit ihren Ausstellungen und Galerien noch heute das Straßenbild prägen. Ich mische mich in das Getümmel auf den Straßen, denn es ist Sonntag, also Feria de San Telmo: Markttag. Alles wir hier verkauft. Schmuck, Andenken, Kunsthandwerk und vor allem: ganz viel Schrott. Ich mache erstmal in einem Hinterhofcafé am Plaza Dorrego eine Pause und gönne mir einen Kaffee und ein Sandwich, bevor ich mich weiter nach Süden vorwage.

 

Natürlich könnte ich auch den Bus nehmen, aber irgendwie ist es immer spannender eine Stadt zu erlaufen. Und so laufe ich immer weiter und komme in Ecken, die ich wohl besser gemieden hätte. Mein Reiseführer warnt davor, dass hier zum Teil raue Sitten herrschen und man sich besser nicht so weit von den touristischen Gebieten entfernen sollte... hmmm... bleibe ich wohl besser zumindest auf der Hauptstraße. Am die Menschen sind freundlich und friedlich, sie gucken mich etwas verwundert an, lassen mich aber in Ruhe... Zum Glück.

Irgendwann erreiche ich mein Ziel: La Boca. Dieses Arbeiterviertel ist vor allem bekannt durch seine bunten Häuser und den kleinen Kunsthandwerkermarkt. Und natürlich durch La Bombonera, das Fußballstadion. In den Bars werden Tangotänzer "vorgeführt", natürlich immer gegen eine kleine Spende. Dann gerne auch mit Foto. Ich lasse das bleiben und gucke mir das Schauspiel aus sicherer Entfernung an. Mir ist es hier viel zu voll, zwar ganz nett anzugucken, aber viel zu touristisch.

 

Also bewege ich mich wieder Richtung Norden. Natürlich zu Fuß. Ich statte dem Stadion noch einen Besuch ab, gucke mir die Heldenverehrung von Maradonna an und verzichte auf eine völlig überteuerte Stadionführung.

Für den Rückweg wähle ich einen anderen und sichereren Weg. Zwar bin ich auch hier die wohl einzige nicht Einheimische, aber hier sieht es zumindest sympathischer aus. Ich erreiche die Plaza Mayor und beschließe, noch einmal Richtung Puerto Madero zu gehen und mir das Wasser anzugucken. Ohne Wasser kann ich ja nicht so richtig.  Puerto Madero ist das neueste und modernste Stadtviertel. Hier wurden ehemalige Lagerhallen in schicke Lofts und Büros umgebaut und es schein ziemlich angesagt zu sein. Der totale Gegensatz zu den Straßen auf dem Weg nach La Boca, wo an der Straße auch gerne mal ausgebrannte oder ausgeschlachtete Autos standen. Ich wandere am Wasser entlang und gönne mir erst einmal eine Pause... und einen Burger.

 

Auf der anderen Seite der Hafenbecken erstreckt sich das Reserva Ecológica Castanera Sur. Ein wunderschönes Naturschutz- und Naherholungsgebiet. Ich wandere durch das Sumpfland und beobachte jede Menge Tiere und vor allem lustige Menschen, die hier mit ihren Großfamilien den Sonntag bei einem Spaziergang oder Picknick genießen. Inzwischen geht die Sonne unter und die Landschaft wird in einen wunderbaren Rotton getaucht.

Am Strand blicke ich auf den Ozean und denke darüber nach, dass ich morgen schon wieder auf der anderen Seite des großen Wassers ankommen werde...  schon wieder alles vorbei.

 

Ich mache mich auf den Rückweg zum Hotel. Langsam kann ich auch nicht mehr laufen. Ich habe Blasen an den Füßen und lahme Beine. Ich besorge mir im 7/11 ein Bier und ein Sandwich und lege einfach nur noch die Füße hoch.

 

Tag 31: Buenos Aire und Abflug...

Ich habe geschlafen wie ein Baby... In der Nacht war vor der Tür zwar noch ziemlich Alarm, aber ich habe einfach  meine Ohrstöpsel genommen und weitergeschlafen.

 

Dann gibt es das letzte Frühstück in Argentinien. Ach, was wäre es schön, wenn das Restaurant nicht im Keller, sondern auf dem Dach wäre. Aber es ist wie es ist und das Essen schmeckt hier wie da und der Kaffee ist lecker. Meine Füße schmerzen noch immer und ich bin froh, dass ich mich heute nicht mehr so weit bewegen muss. Nach dem Frühstück heißt es Rucksack packen. So viel ist es ja nicht und deshalb bin ich auch ziemlich schnell fertig. Zu Hause ist Winter, also muss ich, frei nach dem Zwiebelprinzip, verschiedene Schichten im Handgepäck bereit halten. Ich hatte am Vortag an der Rezeption schon ein Taxi bestellt und das klappt auch problemos. Als ich nach unten komme, wartet der Fahrer bereits auf mich. Auch die Fahrt zum Flughafen ist kein Problem. Eigentlich klappt alles... noch.

Der Flieger geht pünktlich, ich habe meinen Sitzplatz am Fenster, das Essen ist nicht gerade der Kracher, aber ich bin eh nicht besonders hungrig. Wir fliegen über Sao Paolo. Ich habe einige Stunden Aufenthalt und bummele über den Flughafen. Ich kaufe noch ein paar Havaiianas und esse eine Kleinigkeit bei Starbucks. Mit mir sitzt dort eine Fußballmannschaft in seinen Trainingsanzügen, später erfahre ich, dass sie auf dem Weg zu einem Spiel abgestürzt sind... puh, was für ein Horror, die waren alle so gut drauf...

 

Mein Flugzeug fliegt pünktlich ab und, von ein paar Turbulenzen abgesehen, ist es auch ein angenehmer Flug.

 

Tag 33: Hamburg

Früh am Morgen lande ich in Frankfurt. Mein Elend beginnt jetzt erst. Die Piloten der Lufthansa streiken und so klappt es auch nicht mit dem Anschlussflug. Das Bodenpersonal ist total überfordert, keiner kann einem eine richtige Auskunft geben. Ich beschließe schnell, das Angebot anzunehmen und tausche mein Flugticket gegen eine Bahnfahrkarte um. Soweit so gut. Nun muss ich nur noch mein Gepäck bekommen und das ist ja bis Hamburg durchgecheckt. Keiner kann mir sagen, wo mein Rucksack ankommt. Ich irre über den Flughafen, bis ich irgendwo ein Schild finde, das besagt, dass ich in eine andere Halle muss und dort das gestrandete Gepäck ausgeliefert wird. Es sind nur wenig Menschen am Gepäckband, hat sich wohl noch nicht rumgesprochen. Es kommen aber auch nur sehr vereinzelt Taschen aus dem Bauch des Flughafens aufs Band geplumpst. Ich spreche mit einem Ehepaar, das mir sagt, sie warten bereits seit drei Stunden. Ihnen werden ihre Koffer nun nachgeschickt.

 

Ich gehe zum Lost und Found-Schalter und mir wird gesagt, dass mein Rucksack den Frankfurter Flughafen nie erreicht hat. WAAAAAAAAAAAAAAAAS??? Oh nee, bitte nicht. Das heißt, das Ding ist irgendwo noch in Buenos Aires oder Sao Paolo oder sonstwo. Man bittet mich noch etwas zu warten. Also warte ich noch eine Stunde und beschließe mein Gepäck als vermisst zu melden. Die Dame am Schalter ist sehr freundlich und bemüht und sie ruft noch einmal verschiedene Stellen an. Im System ist meine Gepäcknummer aber immer noch nicht. Nach gefühlten Stunden fragt sie mich, ob es sich um einen blauen Sack handeln würde und zeigt auf die andere Seite der Halle. Und da liegt das blaue Wunder oder besser gesagt, der blaue Riese. Ich hatte meinen Rucksack in einem knallblauen Schutzsack verstaut, damit er nicht während des Transports mit einem Riemen irgendwo hängen bleibt. Und da liegt er nun... und das wohl schon seit Stunden: Sperrgepäck. Ich bin um die halbe Welt gereist, nirgendwo galt das Teil als Sperrgepäck und jetzt hier, an der letzten Station wird daraus etwas Sperriges. Und keiner sagt mir das.

 

Nun gut. Egal. Ich bedanke mich bei der Dame am Schalter für ihre Mühe und sammele meine Sachen zusammen. Auf dem Weg zum Bahnhof gönne ich mir noch eine Portion Bratnudeln beim Asiamann und fahre dann endlich nach Hamburg, mit dem ICE. Und das ganz ohne Komplikationen.

 

E N D E