Die Nacht ist kurz und kalt. Irgendwann hole ich mir meine Daunenjacke und meine Socken und kann endlich schlafen. Strom ist schon wieder aus. Irgendwann am Abend gab es welchen und zum Laden des Akkus hat es gereicht. Als um 6.15 Uhr der Wecker klingelt, scheint schon die Sonne und ich brauche keinen Strom, immerhin ist mir inzwischen warm und ich mag nicht so richtig aufstehen. Nützt nix, um 6:45 Uhr ist Frühstück, vorher müssen. Die Taschen gepackt sein. Also nur schnelle Katzenwäsche und rein in die Klamotten. Der Kaffee wirkt Wunder.
Es sind alle pünktlich, nur unsere zwei Spezies schaffen es nicht... aber sie sind die ersten in der Schlange für den Kaffee... natürlich! Immerhin habe ich heute Nacht nicht auch noch das Sägewerk im Nachbarzimmer gehört. Entweder waren die Wände dick oder Ohropax hält was es verspricht.
Das Frühstück ist übersichtlich, aber ausreichend und wir verlassen kurz darauf die Estancia. Die heutige Fahrt wird lang. Es sind 540 km zurückzulegen. Zum Glück auf asphaltierter Strecke. Wir Schrauben uns weiter auf der Ruta 40 Richtung Süden. Irgendwann stoppt Frank das Auto, mitten auf freier Strecke zum Steine sammeln. An dieser Stelle lassen sich besonders viele ox... finden, das ist schwarzes Lavagestein und sieht aus wie schwarzes Glas. Wird gerne für die ansässige Schmuckherstellung genutzt. Nach einer reichhaltigen Ausbeute geht es weiter. Irgendwann biegen wir ab auf die Ex Ruta 40, die heißt wirklich so. Auf der ehemaligen Streckenführung ist es noch leerer und wir sehen stundenlang kein anderes Fahrzeug, geschweige denn eine Menschenseele. Nur immer wieder Nandupapas mit ihr Kinderschar oder Herden von Guanakos. Vorher gibt's aber noch die obligatorische Mittagspause mit Sandwiches.
Am Nachmittag taucht an der alten, schottrigen Straße plötzlich ein strahlend, blauer See auf. Der Lago Cardiel. Auf der Weiterfahrt kommen wir an einem zerstörten Auto vorbei und halten an. Ein
typisches Amipärchen steht daneben, sie haben sich mit ihrem Leihwagen auf der Schotterstraße überschlagen. Die Motorhaube ist eingedrückt, die Windschutzscheibe zersplitterte. Zum Glück ist den
beiden nichts schlimmeres passiert. Wir stellen zeitweise Gartenstühle in unseren Gang und nehmen die Zwei kurzerhand mit ins nächste Dorf. Das ist aber gar nicht so einfach, denn erstens sind die
beiden eben typische Amis und passen mit ihren dicken
Hintern kaum durch unsere Tür, geschweige denn auf die Stühle und zweitens ist das nächste Dorf nicht gerade um die Ecke, sondern ca. eine Stunde entfernt. Aber ihnen bleibt nix anderes übrig, denn
die Straße st seit dem Ausbau der neuen Straße so gut wie gar nicht mehr befahren. Außerdem müssen sie dann halt unsere Stopps mitmachen. Mitten in der Steppe ist ein Hügel mit tausenden
versteinerter Austern... weit weg von jedem Ozean.
Irgendwann erreichen wir aber doch Tres Lagos und setzen die Beiden an der örtlichen Polizei und überlassen Sie ihrem Schicksal. Die haben noch einen langen Ritt vor sich. Irgendwie muss das Auto
abgeschleppt werden und das Ganze auch noch mit der Mietwagenfirma geklärt werden, zu allem Überfluss sitzt die auch noch in Chile. Aber das soll alles nicht unser Problem sein und wir fahren weiter
und machen unsere obligatorischen nachmittägliche Kaffeepause. Irgendwo im Nirgendwo an einer Tankstelle gibt es tatsächlich den bisher besten Kaffee der gesamten bisherigen Reise.
Und dann geht es Richtung El Chaltén. Und dann sehen wir ihn, den Fitz Roy. 3.405 m hoch und alles überragend. Den Gipfel der fast immer in den Wolken steckt. Yippieh, wir haben auch mal Glück und sehen auch den Cerro Torre, die sagenumwobene Nadel des Fitz Roy Bergmassivs.
Langsam und mit vielen Fotostopps nähern wir uns El Chaltén. Den Fitz Roy und auch den Cerro Torre halten wir tausendfach im Bild fest, bevor wir das Dorf erreichen. Wir beziehen unsere Zimmer im Hotel und, nachdem ich die ganze letzte Nacht gefroren habe, befürchte ich diesmal eher eine akute Überhitzung. Sie haben es beim Einheizen sehr gut mit uns gemeint. Leider wohne ich im Erdgeschoss und an das Öffnen des Fensters ist nicht zu denken. Ich werde es überleben.
Wir gehen noch im Dorf etwas essen, bevor wir uns zeitig ins Hotel zurück ziehen. Morgen steht eine große Wanderung im Parque Nacional Los Glaciares auf dem Programm. Und dann zeigt sich der Fitzroy hoffentlich wieder von seiner besten Seite. In der Sprache der Ureinwohner heißt der Berg übrigens "El Chaltén", was soviel bedeutet wie "Feuergipfel" oder "rauchender Berg". Eine passende Beschreibung für den normalerweise andauernd in Wolken gehüllten Gipfel... aber was ist schon normal. :-)
Heute war um 8:15 Uhr Abreise, Abgang, Abmarsch, was auch immer... wir sind los gewandert.
Vorher Frühstück und Sachen packen.
Und dann: Wanderung, 25 Kilometer, 8 Stunden, 800 Höhenmeter, davon 400 auf einem Kilometer. Oben: Auge in Auge mit dem Fitz Roy, Mittagessen an der Gletscherlagune, Sonne, wenig Wind... nach dem Abstieg ein Bier, später ein Steak.
Geil, geil, geil... mehr ist zu diesem Tag nicht zu sagen!
Heute morgen haben wir etwas Zeit noch eine schnelle, 14 km lange Wanderung zum Aussichtspunkt des Cerro Torre zu unternehmen, zu relaxen oder die Stadt zu erkunden. Ich entscheide mich für das Letztere, obwohl mich natürlich auch die Wanderung interessiert hätte. Aber erstens würde das wieder einen zeitigen Aufbruch bedeuten und außerdem habe ich von dem kleinen Bergsteigerdorf noch nichts gesehen. Also schlafe ich etwas länger, frühstücke in aller Ruhe und wandere ein bisschen rum. Um 11 Uhr heißt es dann Auto einladen und los. Die Wanderer sind rechtzeitig zurück und erzählen, dass es windig war und sich die Berge auch in einer dicke Wolkenschicht versteckt haben. Also alles richtig gemacht.
Auf der Fahrt zurück aus dem Tal kreist über uns eine Kondor Flugschule. Zwei ausgewachsene Vögel müssen einem Jungtier das fliegen beibringen. Das ist nämlich nicht angeboren, sondern muss mühsam erlernt werden. Mit der Thermik hat der Kleine noch ein paar Probleme, so richtig aufsteigen kann er noch nicht.
Mittagspause machen wir in der Estancia La Leona. Ein berühmter Ort, weil sich hier vor gut hundert Jahren Butch Cassidy und Sundance Kid vor der Polizei versteckt haben nachdem sie diverse Überfälle auf Banken und Geldtransporte verübt haben...
Am Nachmittag erreichen wir Calafate. Wir beziehen unser Hotel und machen uns auf, um die Stadt zu erkunden. Hier sieht es aus, wie in jeder Touristadt. Ein Souvenirläden neben dem anderen, "echte" Handwerkskunst... made in China... und laut dröhnende Bars.
Allerdings gibt es einen Unterschied zu allen Städten, die ich vorher gesehen habe: es gibt kein Geld. Alle Geldautomaten, und das sind einige, sind leer und spucken keinen Peso mehr aus. Heute Morgen in Chaltén hatte ich schon das gleiche Problem, da dachte ich noch, das läge daran, dass die Stadt so klein ist, viele Gäste beherbergt und am Ende des Tals liegt. Aber in Calafate? Das ist einer der Hotspots Argentiniens... Petra sagt dazu, das ist Argentinien, man weiß nie, ob es Geld gibt. Im Moment kann man alles mit Karte zahlen und das meiste geht über die Kondorabrechnung (es werden alle Speisen und Getränke bezahlt, am Ende kommt die große Abrechnung). Ich hoffe nur, dass ich in Buenos Aires noch ein bisschen Geld bekomme, sonst habe ich ein Problem. Aber das ist noch ein bisschen hin und bis es soweit ist, lebe und esse ich weiter aus Pump.
Übrigens sind hier nicht nur die Geldautomaten etwas schwach auf der Brust, auch das Internet will nicht so wie ich und lässt mich keine Fotos hochladen (oder kostet mich viel zu viel Zeit). Sobald es besser wird, gibt's auch neue wunderschöne Bilder.
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Heute steht ein Highlight der Reise auf dem Programm. Der Perito Moreno Gletscher.
Wir werden morgens nach dem Frühstück von Bonny unserer Guide abgeholt. Wie in vielen argentinischen Nationalparks ist es auch im Los Glaciares Nationalpark so, dass Gruppen nur in Begleitung
einheimischer Guides durch den Park wandern dürfen. Bonny ist mit einem deutschen Honorarkonsul verheiratet und spricht perfekt deutsch. Auf dem Weg zum Gletscher besuchen wir das Denkmal von Günther
Plüschow, einem Flugpionier aus Büsum (!!), der in den 20er Jahren erstmals über das Inlandeis und die Gletscherwelt Argentiniens geflogen ist und mit seinem Kollegen ... das Ganze auch noch gefilmt
hat. Für die Argentinier war Plüschow ein Held, weil er ihnen als Erster ihr Land gezeigt hat. Im Januar 1931 ist er über dem Lago Argentina abgestürzt und man hat ihm an der Absturzstelle ein
Denkmal gesetzt.
Wir fahren weiter, es regnet in Strömen, hatten wir ja auch schon lange nicht mehr, und vor uns taucht eine riesige, blaue Wand auf. Den ersten Fotostopp lassen wir aus, keiner hat so richtig Lust bei dem Wetter auszusteigen und außerdem kommen wir ja noch viel dichter ran. Am Gletscher angekommen heißt es dann aber doch: Regenklamotten an und raus. Wir wandern los und bewundern das Naturschauspiel. Der Perito Moreno ist einer der wenigen Gletscher, der immer noch wächst, bzw. nicht kleiner wird. Täglich schiebt er sich bis zu zwei Meter vorwärts, im Gletscherinneren knirscht und knackt es und er "kalbt", d.h. an der vordersten Front brechen immer wieder riesige Eisbrocken und fallen mit viel Getöse ins Wasser. Der Gletscher ist 12 km lang, 5 km breit und bis zu 70 m hoch und wenn man davor steht, sind das gigantische Ausmaße. Auch wenn wir nicht besonders viel sehen. Der Gletscher liegt im Nebel und auch die umliegenden Berge verstecken sich irgendwo in den Wolken. Wir lassen uns nicht entmutigen und laufen durch den Regen von einer Aussichtsplattform zur nächsten. Immer wieder bieten sich neue Perspektiven und traumhafte Ausblicke. Die Kameras laufen heiß und dann hat auch das Wetter endlich ein Einsehen mit uns. Ganz langsam blinzelt die Sonne durch die Wolken. Pünktlich zum Mittag. Wir suchen uns eine Aussichtsplattform windgeschützt und in der Sonne und sitzen und staunen... und genießen unsere mitgebrachten Stullen.
Der Nachmittag wird dann noch faszinierender. In der Sonne wirkt alles noch blauer, toller und dann streift ein Kondor auch noch fast über unsere Köpfe. was für gigantische Vögel. Alle sind so perplex, dass ausgerechnet in dem Moment keiner seine Kamera parat hat.
Um zwei treffen wir unseren Fahrer am Parkplatz und fahren zur Anlegestelle. Mit einem kleinen Boot fahren wir direkt vor den Gletscher. Bis auf 300 m heran, alles andere wäre zu gefährlich, denn wenn ein Brocken herunterfällt, kann das eine ziemlich große Welle auslösen... zu groß für die kleinen Bötchen. Aber auch aus einiger Entfernung bieten die skurrilen Eisformationen einen faszinierenden Anblick. Erst Fotos machen, dann angucken und genießen.
Auf dem Rückweg ist es still im Bus. Alle verarbeiten die Eindrücke des heutigen Tages. Als es allerdings abends in ein typisch, argentinisches Restaurant geht, sind alle wieder sabbelig. Hier gibt es wahre Fleischberge und bei "all you can eat" ist jeder selber Schuld, wenn er nicht satt wird. Ganze Lämmer hängen über dem offenen Feuer und Würstchen, Steaks und Hühnchen schmoren auf dem Grill... kein Paradies für Vegetarier.
Abfahrt nach Chile. Routiniert packe ich inzwischen den Rucksack. Alles hat seinen Platz gefunden und ich weiß auch ziemlich genau, wo ich was finde. Das ist heute besonders wichtig, denn heute Nacht geht es für drei Tage ins Zelt und da ist es schwierig, alles aus und wieder einzupacken. Genauso schnell ist der Bus beladen und es geht los Richtung Westen.
Wir fahren stundenlang durch die patagonische Steppe. Guanakos und Nandus springen uns genauso vors Auto wie zahlreiche Schafe. Irgendwann bietet sich dann auch noch ein traumhaftes Bild mit rosafarbenen Flamingos vor schneebedeckten Bergen. Ein bisschen wie Bilderbuch. Irgendwann geht Frank in die Eisen. Am Straßenrand: Fritz. Ein großer Fritz. Unsere Bezeichnung für ein Gürteltier. Leider verzieht er sich schnell wieder in seine Höhle. Aber wir haben ihn gesehen, den Fritz. Kurze Zeit später, die nächste Möglichkeit, die heimische Tierwelt im Bild festzuhalten. Sechs Kondore, eine Flugschule mit zwei Jung- und vier ausgewachsenen Vögeln, drehen seelenruhig über uns ihre Kreise. Jetzt sollte auch der letzte ein mehr oder weniger gutes Bild der ästhetischen Vögel haben. Ästhetisch sind die Viecher übrigens nur während des Fluges, guckt man sie sich aus der Nähe an, sind das ganz schön hässliche Wesen, haben ein bisschen was vom Geier.
Auch das Wetter wechselt, mal Sonne, mal Regen, immer Wind. Was mir, und meinen Mitreisenden, allerdings ein bisschen Sorgen macht, sind die tanzenden Schneeflocken... wie war das mit dem Zelten? Außerdem stehen diverse Wanderungen auf dem Programm... mal sehen, wie das wird.
Wir erreichen die argentinische Grenze, es ist leer und die Abfertigung klappt schnell und reibungslos. Aber zu früh gefreut, denn nur ein paar hundert Meter weiter bei den Chilenen stehen vor uns mindestens fünf Busse... die Abfertigung kann dauern. Wir erfahren, dass das Grenzpersonal, mal wieder, streikt und stellen uns auf ein paar Stunden Wartezeit ein... verdammt!
Aber plötzlich geht es doch ganz schnell. Alle mit dem Handgepäck raus. Personenkontrolle und die Rucksäcke werden durchleuchtet. Mit uns stehen die Besatzungen der anderen Busse in der Schlange. Die Beamten fertigen zwischen eins und zwei doch ein paar Fahrzeuge ab, wir zählen dazu. Glück gehabt. Frank hat allerdings Sorge, dass sich die Fahrzeug und Gepäckkontrolle (die Chilenen haben sehr pingelige Einreisebestimmungen und kontrollieren alles sehr genau) hinziehen wird. Wir gehen zu Fuß, mit Handgepäck, über die Grenze und können erstmal ein paar Empanadas genießen und auch Frank und der Bus schaffen es schneller als gedacht, und fast ohne Kontrolle. Die Jungs wollten wohl fertig werden, denn pünktlich um zweimfallen wieder die Schlagbäume und die Streikschilder werden wieder aufgehängt.
Als wir auf dem Campingplatz ankommen, regnet es in Strömen. Wir laden die Küchenboxen aus und helfen Petra beim einpacken. In einem trockenen Moment werden schnell die Zelte aufgebaut. Und das ist auch gut so, denn nur wenige Minuten später gießt es schon wieder. Wir bereiten gemeinsam das Abendessen und schneiden Waschschüsseln voll mit Zwiebeln und dann kocht Frank bei Regen und Sturm leckere Käsespätzle patagonischer Art... das sind dann einfach Käsenudeln... sehr lecker. Zum Glück haben wir bei den Zelten eine kleine Hütte mit Tischen und Bänken, so müssen wir nicht bei widrigsten Bedingungen essen. Frisch ist es natürlich trotzdem, denn die Hütte hat ein Problem... sie hat nur drei Wände und ist vorne offen. Der Abend wird also nicht besonders lang, denn auch wenn es trocken ist, es ist auch ziemlich kalt.
>>> Chile 3